"Matrix": Historischer Kloster-Roman von Lauren Groff
Der neue Roman der US-Autorin Lauren Groff spielt im 12. Jahrhundert in einem englischen Kloster. "Matrix" ist die Schilderung eines atemberaubenden Kraftaktes, eine Schule in Notlagenbewältigung.
Furcht vor Pathos und wuchtigen Worten darf man nicht haben, wenn man an diesem Roman Freude haben möchte. Hervorragend aus dem Englischen übersetzt von Stefanie Jacobs, wirkt die Sprache auch im Deutschen so würdevoll, dass man sich in eine andere Epoche versetzt fühlt.
Ein Neuanfang im Kloster
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Marie, ein uneheliches Kind des Königs, der ihre Mutter auf einem Feld, wo sie gerade arbeitete, vergewaltigt hat. Nach dem Tod der Mutter wendet sich Marie an ihre Halbschwester, Königin Eleanore von Aquitanien. Sie liebt ihre Schwester abgöttisch, wird aber verstoßen und in ein abgelegenes Kloster geschickt. Dort übernimmt Marie bald das Amt der Äbtissin. Sie hat haarscharf beobachtet, was ihre Vorgängerin falsch macht und warum hier alle so bitteren Hunger leiden:
Nach und nach ist in ihr der Entschluss gereift, die Arbeit anders aufzuteilen und ihnen nicht mehr, wie die Äbtissin es tat, als Lektion in Demut genau die Aufgaben zu übertragen, die ihnen jeweils am schwersten fallen. Nein, Marie wird jede das tun lassen, was sie am besten kann. Leseprobe
Erfolg durch harte Arbeit
Unter Maries Führung wird das Kloster eine Blütezeit erleben, den Reichtum der Kirche mehren und ihre eigene Macht ausbauen. Sie revolutioniert den Ackerbau, die Wasserwirtschaft und lässt ein Wegenetz als Labyrinth anlegen, um das Kloster vor unliebsamen Besuchern zu schützen. Es gibt Intrigen unter den Nonnen, auch Missgunst und Bigotterie, aber durch eine Führungsgruppe der Besten und Klügsten gedeihen die Geschäfte. Marie sehnt sich nach Erotik, sie ist eine sinnliche Frau, aber ihre Lüste bleiben ungelebt.
Stattdessen erhält sie eine lange, kühle Klarheit. Sie kann jetzt sehr weit sehen. Sie überblickt Äonen. Leseprobe
Nachts schreibt sie das auf, was sie ihre Visionen nennt.
Am Ende wird die Erde zerbrechen, und die Bösen wird man in den Feuersee werfen. Marie vermutet, dass dieses sengende Ende der Stein, der Boden und das Wasser der Erde selbst sein wird, die durch menschliche Torheit und Gier so heiß geworden ist, dass sie kein Leben mehr auf dem Rücken tragen mag. Leseprobe
Lauren Groff spannt einen Bogen bis in die heutige Zeit
Marie erkrankt mit etwas über 70 Jahren an Brustkrebs und stirbt. Ihre Nachfolgerin findet die Aufzeichnungen von Marie, die sie im Laufe der Jahre in einem Buch zusammengebunden hat. Sie wirft das Buch ins Feuer.
Rauch zu Rauch, denkt sie, und es versetzt ihr einen Stich ins Herz, dass sie ihre alte Freundin enttäuscht hat, den vergangenen Geist. Solche Feuer, in sich so klein, werden die Welt unmerklich immer weiter aufheizen, bis sie Jahrhunderte später zu heiß sein wird, um die Menschheit noch weiter zu ertragen. Leseprobe
So spannt Lauren Groff den Bogen aus dem Mittelalter bis in unsere heutige Zeit. Es ist die Schilderung eines atemberaubenden Kraftaktes, einer Schule in Notlagenbewältigung. Und auf eine fantasievolle, Freude und durchaus auch Erotik ausstrahlende Weise eine Art Fortbildungskurs darin, wie man ein Unternehmen, wie dieses Kloster eines ist, erfolgreich führen könnte.
Matrix
- Seitenzahl:
- 320 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Englischen von Stefanie Jacobs
- Verlag:
- Claasen
- Bestellnummer:
- 978-3-546100373
- Preis:
- 24 €