Historienromane: Fantastische Geschichten mit wahrem Kern
Historische Romane, das sind nicht nur Geschichten über Ritter, Kaiser und Könige. Gerade in letzter Zeit haben Bücher, die von der Geschichte des 20. Jahrhunderts erzählen, eine Art Hochkonjunktur.
Neugierde auf die Vergangenheit, das eint alle Autorinnen und Autoren, die in ihren Büchern die Gegenwart verlassen. Das geht auch Daniel Kehlmann so. Berühmt geworden ist er mit der "Vermessung der Welt", die von Alexander von Humboldt und dem Mathematiker Carl Friedrich Gauß erzählt. Sein aktuellster Roman "Lichtspiel" handelt vom Filmregisseur G.W.Pabst.
"Für mich fühlt es sich nicht wie ein historischer Roman an", erzählt Kehlmann bei einem Auftritt. "Mein Vater, der war Jahrgang 27, und es gibt viele Figuren, die haben meine Eltern noch gekannt. Zuckmeyer zum Beispiel. Für mich ist 'Lichtspiel' kein historischer Roman, das ist zu nah an der Gegenwart." Es gebe noch immer Menschen, die sich an die 1930er- und 1940er-Jahre erinnern könnten, und sein Held müsse Fragen zu Krieg und Frieden verhandeln.
Familiengeschichte von Schauspielern sind im Trend
Während sich Kehlmann von den Erinnerungen der Eltern inspirieren lässt, schreiben andere gleich ihre eigene oder die Familiengeschichte auf. Christian Berkel hat zwei Romane über seine jüdische Familie und ihre Beziehung zu Deutschland geschrieben. "Die Figur der Ada zum Beispiel, die aus einem anderen Land kommt, die eine andere Sprache spricht", erzählt der Schauspieler in der ARD, "die steht auch zwischen den Stühlen." Schauspieler, die ihre Familiengeschichte verarbeiten, sind ohnehin im Trend. Edgar Selge schreibt in "Hast du uns endlich gefunden?" über seine Jugend in den Sechzigern. Axel Milberg in "Düsternbrook" über sein Fremdfühlen als Jugendlicher in einem Kieler Villenviertel.
Krimis und sentimentale Unterhaltungsromane mit Geschichte
Mit "Babylon Berlin" ist eine historische Buchreihe sehr erfolgreich verfilmt worden. Die Serie basiert auf den Büchern von Volker Kutscher. Sie erzählen vom Polizisten Gereon Rath im Berlin der 1920er- und 1930er-Jahre. Das hat eine Welle an historischen Krimis ausgelöst. Hamburg, München, Wien, kaum eine Stadt, in der keine Reihe spielt.
Das gleiche gilt auch für sentimentale Unterhaltungsromane mit Titeln wie "Elbleuchten", "Tränenpalast" oder "Das Marzipanschlösschen". Kaum einer geht dabei so ins Detail wie "Babylon Berlin"-Autor Volker Kutscher: "Es hat eine Vorgeschichte, aus was für Gründen auch immer. Die 1920er-, die 1930er-Jahre, die Weimarer Zeit, das ist für mich ein Mythos, der sich durch die Literatur erschlossen hat. Über die Kinderbücher von Erich Kästner bin ich dann bei Döblin, Irmgard Keun und der Neuen Sachlichkeit gelandet."
Historischer Stoff mit aktuellem Bezug
Auch die jüngere deutsche Geschichte ist oft Romansujet - sehr gerne die 1980er-Jahre. Sven Regeners "Herr Lehmann"-Zyklus beginnt kurz vor dem Mauerfall. Uwe Tellkamps "Der Turm" spielt 1982 und 1989. Jenny Erpenbecks Roman "Kairos" spielt ebenfalls im Jahr '89.
Steffen Kopetzkys Roman "Monschau" erschien während der Coronapandemie und erzählt von einem Pockenausbruch in den 1960er-Jahren. Die Vergangenheit nehmen, um von der Gegenwart zu erzählen, das macht Kopetzky auch in einigen anderen Büchern, wie seine Kollegen Kehlmann, Kutscher und frisch in den Buchläden: Nora Bossong. In "Reichskanzlerplatz" schriebt sie über Magda Goebbels - vielmehr, wie sie zu Magda Goebbels geworden ist. Darin stellt sie die Frage nach der Verantwortung des Einzelnen. Historischer Stoff, der aber immer aktuell sein wird.