Gleichberechtigung: "Was wollt ihr denn noch alles?!"
Die Zahlen und Statistiken sind schockierend - doch sie sind wahr. In ihrem Buch "Was wollt ihr denn noch alles?!" zählt Alexandra Zykunov Benachteiligungen für Frauen in nahezu allen Lebensbereichen auf.
Lange dachte Alexandra Zykunov, Männer und Frauen seien gleichberechtigt. Bis sie Kinder bekam und wütend feststellte, wie krass Frauen und Mütter benachteiligt werden: Immer noch. Gender Gaps, also Geschlechterungleichheiten, überall. "Es sind einfach absurde Zahlen. 63 Prozent der Frauen verdienen aktuell in Deutschland weniger als 1.000 Euro netto. Oder Quoten in Hörspielen, Redezeiten auf Podien, in der Politik sind einfach so viel signifikant geringer für Mädchen und für Frauen. Zu den Benachteiligungen zählt auch, dass Frauen bei Medikamenten doppelt so oft schwere Nebenwirkungen erleiden, weil Medikamente immer noch zum allergrößten Teil an einem Mann vorher getestet wurden", reiht Alexandra Zykunov eine Ungleichheit an die andere.
Deutlichste Diskrepanz: Gender Pay Gap
In ihrem Buch zählt Alexandra Zykunov alle Bereiche auf, in denen Frauen diskriminiert werden. Sie selbst war von den Fakten schockiert - wurde dadurch zur Feministin. Die Hälfte der Weltbevölkerung systematisch diskriminiert? Ja. Am deutlichsten wird das beim Gender Pay Gap, dem Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern. "Die allerwenigsten sind sich der Tatsache bewusst, dass der Gender Pay Gap in Deutschland europaweit mit am schlimmsten ist. Wir rangieren seit 15 Jahren europaweit und OECD-weit unter den Flop fünf Gender Pay Gap Ländern."
Der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen beträgt in Deutschland durchschnittlich 18 Prozent. Bei einem Durchschnittslohn von 3.200 Euro brutto wären das jeden Monat 585 Euro weniger. Im Jahr sind das dann mehr als 7.000 Euro. Macht 280.000 Euro auf ein ganzes Erwerbsleben von etwa 40 Jahren, legt Alexandra Zykunov dar.
Weniger Frauen am Arbeitsmarkt
Frauen und Mütter haben in Deutschland eine geringere Beteiligung am Arbeitsmarkt. Viele Chef-Etagen sind nach wie vor ein Herren-Club. "Die AllBright Stiftung hat festgestellt, dass es in den höher gelegenen börsendotieren Unternehmen in der Managementetage mehr Männer mit dem Namen Thomas gab als überhaupt Frauen. Das nennen sie den Thomas-Kreislauf. Also ein Thomas stellt einen Thomas ein, stellt einen Thomas ein, stellt einen Thomas ein. Jetzt könnte man sagen: Juhu! Der Thomas-Kreislauf wurde im letzten Jahr endlich abgelöst. Man würde denken 'Ja, haben es vielleicht doch mehr Frauen geschafft in diesen Vorstand?!' Nein. Der Thomas-Kreislauf ist jetzt nämlich abgelöst worden vom Christian-Kreislauf", erklärt Zykunov.
Mehr Gehalt? Eher für Männer
Frauen werden immer noch seltener eingestellt und bekommen weniger Gehalt. Studien sagen: Es wird eingeplant, dass sie wegen Kindern häufiger ausfallen. Väter hingegen bekommen eher eine Gehaltserhöhung. "Am einfachsten wird erstmal dagegen argumentiert. Frauen sind selber Schuld, wenn sie sich nicht auf Führungspositionen bewerben, müssten sie mal selbstbewusster auftreten, müssten sie mal besser verhandeln so wie Männer", beschreibt Zykunov die gängige Argumentation und ergänzt: "Es gibt allerdings Untersuchungen, die belegen, dass, wenn Frauen aggressiver verhandeln, wenn sie selbstbewusster auftreten für eine bessere Positionen, sich durchzukämpfen, dass sie sich damit erst recht schaden, weil sie sich nicht verhalten wie eine Frau und von den Personaler*innen unterbewusst abgestraft werden."
Beispiel Özlem Türeci: Bei Google "nur" Medizinerin
Dass selbst erfolgreiche Frauen weniger sichtbar sind, zeigt das Beispiel der Biontech-Erfinder Özlem Türeci und Uğur Şahin. "Man sieht es hier sehr, sehr gut. Wenn man Özlem Türecis Namen eingibt, steht da 'deutsche Medizinerin', das ist im Zweifel meine Hausärztin auch und neu mittlerweile Wissenschaftlerin. Stimmt ja auch alles, nur, gibt man seinen Namen ein, steht da 1. Vorstandsvorsitzender und 2. Biontech. Das heißt, dass sie beide diese Vorzeigegesichter sind von dieser Impfung, die diese Welt von Corona befreit hat, das wird bei ihm sofort klar, wenn man ihn googelt, bei ihr aber überhaupt nicht", so Zykunov.
Ohne Care-Arbeit funktioniert unsere Gesellschaft nicht
Frauen sind viel weniger zu finden in den Geschichtsbüchern. Wir werden von kleinauf so gepolt: Mädchen wachsen in die Kümmerin-Rolle, Jungs sind Abenteurer.
"Ich finde es hochgradig unfair, dass wir einerseits von Frauen und weiblich gelesenen Personen verlangen, dass sie sich kümmern, dass sie ihre Stunden reduzieren, dass sie die Care-Arbeit machen für Alte, für Kranke, für Kinder. Und sie ist auch sehr, sehr wichtig, denn ohne Care-Arbeit würden wir nicht funktionieren. Babys würden sterben, Alte würden sterben. Ohne Care-Arbeit würde unsere Zivilisation im Grunde zusammenbrechen. Und wir wissen, die Frauen werden sich dadurch in finanzielle Altersarmut manövrieren", prangert die Autorin an.
Zykunov: Care-Arbeit muss entlohnt werden
Den Grund allen Übels sieht Zykunov in der Care-Arbeit: "Würde man all die von Frauen weltweit geleisteten, umsonst geleisteten Arbeitsstunden - 12 Milliarden an der Zahl pro Jahr - würde man die wenigstens mit einem Mindestlohn bezahlten, dann wäre diese Summe das 25-fache von dem, was Facebook, Apple und Google zusammen im Jahr erwirtschaften. Aber wir bezahlen Care-Arbeit nun mal nicht." Alexandra Zykunov fordert: Care-Arbeit müsse entlohnt werden. Einer von vielen wichtigen Schritten zu endlich mehr Gleichberechtigung.