"Die sieben Monde des Maali Almeida": Ein popkulturelles Mashup
Shehan Karunatilaka wurde 2022 für "Die Sieben Monde des Maali Almeida" mit dem Booker Prize ausgezeichnet. Dieser Roman strengt an und ist so lebensnah komponiert, dass man staunt.
Maali Almeida steht in der Schlange, vor einem Tresen: einchecken oder doch "Zurück auf Los"? Der überfüllte Warteraum ist kein gewöhnlicher. Denn Maali ist tot, die anderen Wartenden sind tot wie er, mit fehlenden Gliedmaßen, klaffenden Wunden und weit aufgerissenen Augen.
Dieser Ort ist anscheinend ein Sammelpunkt für alle, die Fragen zu ihrem Tod haben. Es gibt mehrere Schalter, und die verärgerten Kunden zetern und pöbeln die wenigen Mitarbeiter hinter den Tresen an. Das Leben nach dem Tod ist eine Steuerbehörde, und jeder will seine Rückzahlung. Leseprobe
Nur langsam realisiert Maali, dass er umgebracht wurde. Er, ein schwuler Kriegsfotograf in Sri Lanka, hat den Bürgerkrieg in den 80er-Jahren und seine Gräueltaten abgelichtet. Er, immer zwischen den Fronten, will herausfinden, wer sein Mörder war. Maali hat aber nur sieben Tage - hier: "sieben Monde" -, bevor seine Seele endgültig verloren geht.
Ein Labyrinth der Geister und Dämonen
Shehan Karunatilaka schickt seinen Protagonisten in ein Labyrinth der Geister und Dämonen: Sein Roman spielt Anfang der 90er-Jahre und ist eine grelle Mischung aus Fantasy, aus Goethes "Faust", Dantes "Inferno", aus "Pulp Fiction", Elvis, Freddy Mercury und Anime-Comics. Wer sich in diesen Roman hinein traut, wird ihn nach einer Weile atemlos in eine Ecke pfeffern oder weiterlesen wollen, wie süchtig. Wissen wollen, wer dieser Maali ist, der wie ein gelehriger Zauberschüler über die Dächer Colombos schwebt und versucht, mit den beiden ihm nächsten Menschen Kontakt aufzunehmen: seinem Geliebten DD und seiner engsten Freundin Jaki.
Der Bürgerkrieg in Sri Lanka: Der Autor berührt dieses traumatische Ereignis wie im Vorbeiflug. Schwer auszuhalten sind die Schilderungen aus einem Foltergefängnis oder die Entsorgung der Leichen. Maali ist das Auge, um die Toten ins Licht zu bringen, wortwörtlich. Er, der sich in einem pausenlosen Selbstgespräch eine "Schlampe" nennt, ist ein übersteuerter, sex- und spielsüchtiger Charakter mit dem Herz am rechten Fleck und Zyankali-Kapseln um den Hals.
Um Maalis Seele streiten sich positive und dunkle Kräfte. Die Handlung treibt immer weiter. Maalis Faden ins Licht wird immer dünner. Er sieht zu, wie seine eigenen Knochen entsorgt werden wie Müll. Und Maali lernt, Jaki zuzuflüstern, um ihr mitzuteilen, wo sich die Negative seiner brisantesten Fotos befinden, damit die Verantwortlichen des Bürgerkriegs angeklagt werden.
"Die sieben Monde des Maali Almeida": Ein Roulette mit vollem Einsatz
Dieser Roman strengt an, die Namen und Begriffe sind verwirrend. Man hat kaum Zeit durchzuatmen. Manchmal nervt es, wenn wieder ein gutaussehender Mann als "stramm" bezeichnet wird. Alles ist Handlung, Action, Geschrei, ein popkulturelles Mashup. Und ist so lebensnah komponiert, dass man staunt: Wie hält der Autor all diese Fäden zusammen? Ein schillerndes Vexierspiel, ein Roulette mit vollem Einsatz.
Denn hat man erst mal das eigene Gesicht gesehen und die Augenfarbe erkannt, hat man die Luft geschmeckt und die Erde gerochen, hat man aus den klarsten Brunnen und aus den schmutzigsten Hähnen getrunken, dann ist das eigentlich das Beste, was man über das Leben sagen kann. Es ist nicht nichts. Leseprobe
Und auf jeden Fall besser als in der Schlange zu stehen mit anderen unerlösten Seelen.
Die sieben Monde des Maali Almeida
- Seitenzahl:
- 544 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Übersetzt von von Hannes Meyer
- Verlag:
- Rowohlt
- Bestellnummer:
- 978-3-498-00369-2
- Preis:
- 30 €