"Die Frauen der Familie Carbonaro": Farbprächtige Familiensaga
Mit "Terra di Sicilia" ist Mario Giordano eine unglaublich packende Familiengeschichte voller Eifersucht, Liebe, Hass und Aberglauben gelungen. Nun ist der zweite Band seiner Carbonaro-Saga erschienen.
In "Terra di Sicilia" hatte Mario Giordano hauptsächlich von der Geschichte des Familienoberhauptes, des Zitrusfrüchtehändlers Barnaba Carbonaro erzählt. Dazu ist nun dringend auch die weibliche Sichtweise erforderlich. Mario Giordano wählt einen emotional aufgeladenen Ton, der verführerisch und betörend ist:
Ich weiß, wo ich bin. Dies ist das Haus der Zeit, dort, wo Vergangenheit und Zukunft verschmelzen. In den Zimmern, Sälen, Kammern und Nischen sitzen die Geister eines vergangenen Jahrhunderts, raunen sich Dinge zu und runden die Kanten. Eines Tages werde ich einer von ihnen sein. Oder bin es bereits. Diese drei Frauen vor mir sind meine Familie. Ich bin hier, um ihnen zuzuhören. Leseprobe
Die Geister der Vergangenheit
Diese Familiensaga ist mitnichten die Überhöhung einer privaten Familiengeschichte, die als besondere empfunden wird, weil das jede Familie in irgendeiner Weise tut. Dies ist eine Familiensaga, die stellvertretend steht für die Tragödien, Chancen, Glück und Unglück aller Familien in dem an Grausamkeiten nicht armen 20. Jahrhundert: Wünsche, Hoffnungen, Scheitern, Niederlagen, Erfolge - und immer sitzen die Geister der Vergangenheit mit am Tisch.
Natürlich spielt auch die Mafia eine Rolle. Zwei Frauen der Familie Carbonaro wollen nach dem Zweiten Weltkrieg auf Sizilien ein Hotel eröffnen. Ein Mitglied der Mafia kommt und droht, Pina umzubringen. Sie schleudert ihm entgegen:
"Oder umgekehrt" (…). Ich weiß gar nicht, warum, vielleicht lag es an den Kopfschmerzen. Mir war alles egal. (…) Macaluso sah mich an wie eine neue Beilage zu seinem Oktopus. "Vielleicht willst du gar kein Hotel bauen, sondern in Wahrheit den Platz deines Vaters einnehmen." Und der rasende Dämon in meinem Kopf ließ mich sagen: "Wenn ich das wirklich wollte, (…) hätte ich Euch bereits töten lassen." (…) "Leg sie um, Cuddetta. Aber draußen auf der Straße, und lass sie da liegen."
Mir war es egal. Vor lauter Migräne konnte ich kaum noch klar denken. Die Welt war ein gelber Dunst, der Brandgeruch fraß mich auf.
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Mario Giordano steigert die Intensität des Erinnerns
Die vielen Einzelepisoden und Geschichten in diesem farbprächtigen und Überlebenswillen verströmenden Roman können hier nicht nacherzählt werden. Mario Giordanos Kunst ist, dass er die Intensität des Erinnerns und Erzählens auf den etwas mehr als 500 Seiten immer wieder neu anfacht und steigert.
Die Frauen der Familie Carbonaro
- Seitenzahl:
- 512 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Goldmann
- Bestellnummer:
- 978-3-442-31568-0
- Preis:
- 24 €