"Couchsurfing in der Ukraine": Porträt inspirierender Menschen
Der Hamburger Journalist Stephan Orth ist ein Couchsurfer mit Vorliebe für ungewöhnliche Länder. Nun war er unterwegs am aktuell vielleicht ungewöhnlichsten Reiseziel: in der Ukraine.
Warum sollte man mitten im Krieg in die Ukraine fahren? Wegen der Liebe. Stephan Orths Freundin ist Ukrainerin. Mit zunehmender Besorgnis hat er beobachtet, wie das Interesse an diesem Krieg schwindet. Das dürfe nicht passieren - deswegen die Reise zu diesem schwierigen Zeitpunkt: "Es passiert zehnmal mehr Alltägliches, als man glaubt. Der Krieg ist aber auch zehnmal schlimmer, als man ihn sich vorstellen kann: wenn man in die Nähe der Front fährt, wenn man mitkriegt, wie viele Häuser da zerstört sind, ganze Stadtviertel, was da angerichtet wurde, was das für Dimensionen hat, wenn man miterlebt, wie viel Leid in der Bevölkerung besteht nach zweieinhalb Jahren - psychologische und gesundheitliche Probleme."
Erschütternde Geschichten aus der Ukraine, berührend beschrieben
Stephan Orth war im ganzen Land - von Kiew aus nach Saporischija, wo das von Kämpfen bedrohte Atomkraftwerk steht, an die Front nach Lyman, ins von Luftangriffen so gefährdete Odessa. Immer wieder war das auch persönlich gefährlich für den Journalisten. "Bei Luftalarmen, wenn es dann draußen richtig gekracht hat, wenn die Wände wackeln - man sitzt da und kann eigentlich nichts tun", erzählt er, "man hofft, dass es nicht das eigene Gebäude ist. Auch an der Front, wo ich einige Tage ziemlich nah verbracht habe. Ich bin kein gelernter Kriegsreporter. Deswegen war das für mich auch eine Ausnahmesituation. Da habe ich häufig gedacht: Was mache ich hier eigentlich?"
Stütze und Inspiration sind die Menschen in der Ukraine - wie ein Gastgeber, der gar nicht mehr in den Luftschutzbunker gehe bei Angriffen. Er spekuliere darauf, dass sein Haus nicht getroffen werde. Das ist entsetzlich - und mitreißend und berührend beschrieben von Stephan Orth. Er trifft Menschen wie eine ehemalige Anwältin, die eine Hilfsorganisation gegründet hat und gleichzeitig sagt, dass sie sich zur "Aufmunterung" Videos getöteter russischer Soldaten anschaue. "Mich hat erschrocken, welche Logik dahintersteckt und dass vielleicht diese Schwelle vom Zivilisierten ins Unzivilisierte nicht so hoch ist, wie wir immer denken: Menschen in so einer Ausnahmesituation, was sie erleben, was das für einen Hass mit sich bringt", sagt Stephan Orth. Einen kritischen Blick auf das jeweilige Land haben Stephan Orths Couchsurfing-Bücher immer. Dabei sind sie aber vor allem unterhaltsam - auch dieses.
"Couchsurfing in der Ukraine": Ein bisschen Hoffnung im düsteren Krieg
Ein lustiger Running Gag ist, wie jedes Mal, wenn er mit einem Mietwagen zu nah an die Front fährt, die Autovermietung anruft und höflich bittet, sich von der Front zu entfernen. Alles in allem ist es aber eine ernsthafte Darstellung eines Landes und seiner Menschen im Krieg geworden - und die Menschen sind beeindruckend.
"Ich hab eine 85-jährige Frau getroffen in Lyman, einem Ort direkt an der Front", erzählt Orth. "Die lebt seit 18 Monaten im eigenen Keller, weil ihre Wohnung zerbombt ist. Die macht einfach jeden Tag weiter und sagt, es wird schon alles gut werden, und hat da eine unfassbar positive Einstellung." Das macht ein bisschen Hoffnung in diesem Krieg, der voller Düsternis steckt.
Couchsurfing in der Ukraine
- Seitenzahl:
- 256 Seiten
- Genre:
- Sachbuch
- Verlag:
- Malik
- Veröffentlichungsdatum:
- 1. August 2024
- Bestellnummer:
- 978-3-89029-594-7
- Preis:
- 18 €