"25 letzte Sommer": Sehnsucht nach einem Leben im Gleichgewicht
Stephan Schäfer war Top-Manager. 2022 schied er aus seinem damaligen Job aus. Er hat seinen ersten Roman geschrieben. Über einen Mann, der beginnt, wieder Leben in sein Leben zu lassen.
"'Mir wird gerade alles zu viel.' 'Es ist gerade unglaublich viel los.' Das sind ja so Sätze, die hört man tagtäglich im Freundeskreis, in der Familie. Ich kenne das. Mir haben die Kinder auch gesagt abends, 'Papa, du hast wieder diesen leeren Blick.' Ich habe Kinderbücher vorgelesen und war dabei mit den Gedanken woanders", schildert Schäfer den Auslöser für sein Buch.
"Ich wollte durch das geschriebene Wort meinem Leben eine Wendung geben. Davor habe ich als Journalist und Manager gearbeitet, und ich wusste sozusagen, vielleicht ist das die literarische Aufarbeitung meines eigenen Neuanfangs." Der Neuanfang des Ich-Erzählers beginnt an einem See an der Schlei. Ein Fremder sagt, er solle es wagen. Und er wagt sich: Hinein ins kalte Wasser.
Sprung ins Wasser als Neuanfang
"Der Sprung ins kalte Wasser ist ja wie ein Neuanfang und man probiert was aus. Und ich finde, es hat was Reinigendes, was Schönes, was Klärendes. Und ehrlich gesagt, bin ich als Kind schon immer wahnsinnig gerne untergetaucht. Man geht so runter und man lässt so Blasen aufsteigen und man kommt hoch. Das ist einfach schön", erzählt Schäfer.
Als der Ich-Erzähler im Roman wieder auftaucht, lädt der Noch-Fremde ihn zum Kaffee ein. Der Unbekannte ist Kartoffelbauer. Karl mit Vornamen und gut darin, wie selbstverständlich die richtigen Fragen zu stellen: auf seinem Acker, auf seinen Trecker, auf seiner Küchenbank bei Frikadellen. Am Ende des gemeinsamen Tages befindet er fröhlich, dass ihnen beiden bestimmt noch 25 Sommer bleiben.
Ausweg aus der ständigen Eile
"Da konnte man auf der einen Seite ja total melancholisch und traurig werden. Man denkt: 'Oh, noch 25 letzte Sommer.' Ich finde, man kann sich aber auch die Fragen stellen: Wie verbringe ich die oder wie möchte ich die verbringen? Und bin ich auf dem richtigen Weg?", sagt der Autor. Den "richtigen Weg" suchte der Ich-Erzähler bis dato höchstens auf Google Maps. Am Laptop, am Smartphone, in Eile. Ständig erreichbar. Nur nicht für seine Liebsten.
Für Schäfer ist das ein ganz großes Thema in der Gesellschaft: "Wie geht es eigentlich Menschen in dieser Zeit gerade, mit dem "zu viel" und den ewigen To-Do-Listen. Wie kommt man da raus? Und in meinem Buch ist es ja eine Beziehung zu einem anderen Menschen, die beginnt. Also man muss jemanden finden, der mit einem ein Gespräch beginnt, um zu zeigen, was mache ich eigentlich und was ist die Alternative?"
Welcher Mensch möchte man sein?
Schäfers Ich-Erzähler findet Karl. Und mit ihm zur Natur zurück. Sie schließen Freundschaft; in nicht mal 48 Stunden. Genug Zeit für einen Waldspaziergang - genug Zeit für einen Neuanfang. "Man kann doch in kleinen Schritten was tun, dass man sich dem Idealen nähert", sagt Schäfer und fügt hinzu: "Aber im Kopf macht man sich Gedanken darüber: Welcher Mensch möchte man gerne sein, obwohl man heute der ist? Und mich hat das beschäftigt. Ich finde es eine schöne Frage und sie hat für mich auch nichts Schweres, sondern ich habe das Gefühl, mit den Jahren lebe ich so langsam in die Antworten hinein."
Der Roman ist wie Kartoffelbauer Karl: Er ermutigt, Leben ins Leben zu lassen. Oder, wie Schäfer es formuliert: "Ich glaube, wenn man wieder merkt, dass diese Wand zwischen einem selber und der Welt langsam verschwindet und man berührbar ist für all diese schönen Dinge - wer würde für sich unterschreiben, dass er das nicht haben möchte?"
25 letzte Sommer
- Seitenzahl:
- 176 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- park x ullstein
- Veröffentlichungsdatum:
- 14. März 2024
- Preis:
- 22 €