"Schreiben am Meer": Kurzweiliges Sachbuch von Kristine von Soden
Kristine von Soden stellt in ihrem neuen Buch "Schreiben am Meer. Wo der Himmel größer ist" Künstlerinnen und Künstler, Schriftstellerinnen und Schriftsteller vor, die es immer wieder ans Meer zog.
In vielen Werken lassen sich Kunstschaffende vom Wellenspiel inspirieren, wie der Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy. Die Besuche des jungen Komponisten an den Küsten Schottlands, aber auch Mecklenburgs, beeinflussten sein musikalisches Werk hörbar. Er ist einer der Künstlerinnen und Künstler, die Kristine von Soden in ihrem Buch episodenhaft vorstellt. Folgendes schrieb der 20-jährige Felix Mendelssohn Bartholdy vor mehr als 200 Jahren an seine Mutter.
...behaglich war es mir, als ich heute in die See hinein schwamm, und nun ein paar Augenblicke allein im Meer mich herum trieb, und dabey dacht, wie genau wir doch eigentlich miteinander bekannt wären; und doch steckte ich tief im Schottischen Meer, das sehr salzig schmeckt, Doberan ist Limonade dagegen. Zitat: Felix Mendelssohn Bartholdy
Kristine von Soden ist davon überzeugt, dass die Nähe zum Meer Einfluss auf kreatives Arbeiten hat. "Das Meer, das Wasser als Element, hat natürlich etwas ganz Elementares", sagt die Schweriner Buchautorin. Es beinhalte Themen wie Unendlichkeit, das flirrende Licht, der Horizont, Salz, Sand und Dünen. "Das ist so so ein Facettenreichtum, ob das jetzt in der Malerei ist oder in der Literatur", sagt sie.
Ein Kapitel zu Else Lasker Schüler
Ein Kapitel widmet Kristine von Soden der Dichterin Else Lasker Schüler (1869-1945), die ab 1915 regelmäßig im pommerschen Ostseebad Kolberg zu Gast war. Wie sehr sich Else Laske Schüler dem Meer verbunden fühlt, wird in einem der eingefügten Zitate deutlich.
"Wir tauchen in das heilige Element und erlösen uns von aller Erdenschwere. Schiffe gleiten von Erdteil zu Erdteil. Man möchte immer das seligbrausende Gewässer anbetend umarmen. Eine Erlösung sondergleichen, sich der Welle hinzugeben; Bewundernd blicke ich über die feierlich perlengeschmückte, rauschende Tafel. - Nun ist es Nacht, das ewige Wasser aber leuchtet silbern wie mein befreites Herz. Weit breite ich die Flügel aus und weiß nichts mehr als dies: Schweben - Vogelsein!" Zitat: Else Lasker Schüler
Den Lesenden die jeweilige Epoche nahebringen
Kristine von Soden bemüht sich mit ihrem literarischen Stil, ihrer Leserschaft die Literatinnen und Literaten in ihren jeweiligen Epochen nahe zu bringen. So finden sich im Abschnitt über Theodor Fontanes Reisen nach England zahlreiche Anglizismen, die auch Fontane schätzte. Thomas Mann und seine Familie waren mehrfach zur Sommerfrische in Nidden, auf der Kurischen Nehrung. Anschaulich schildert die Autorin das Familienleben mit kleinen Geschichten und zahlreiche Kosenamen. "Ich wollte über Autoren schreiben, mit denen ich mich auch identifizieren kann", sagt die Autorin. Es gefalle ihr, wenn sie Dinge nachempfinden kann und auf eines legt sie besonders viel Wert. "Diese bildhafte Sprache, die finde ich so unglaublich schön. Das ist ja eine Sprache, die es heute größtenteils überhaupt nicht mehr gibt."
Fotos von de Beauvoir und Sartre am Strand von Nida
Nicht immer stellt Kristine von Soden einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Werk und der See her. Der kurze Aufenthalt von Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre am sandigen Strand von Nida wirkt durch stimmungsvolle Fotos. Sie zeigen das Philosophen-Paar, sich jeweils den Rücken zugewandt, in entgegengesetzte Richtungen strebend. Bislang unveröffentlichte Fotos von Siegfried und Lieselotte Lenz, beide in wetterfester Anglerkleidung, hat die Autorin eingefügt. Stimmungsvolle Landschaftsfotos illustrieren das Kapitel über den Besuch des Karikaturisten George Grosz, der von Ostsee und Bodden mehr angetan war als von den dort lebenden Menschen.
Dazu noch diese Darsser Einwohner, die hierum als besonders stur angesehen werden, was auch stimmt. Sie sagen ganz offen: am Badegast interessiert uns nur sein Geld, er selber kann zu Hause bleiben. Und obwohl man von OBEN herunter immer wieder Höflichkeit und Freundlichkeit predigt (in Erlässen an die Badeverwaltung), haben die Brüder hier allesamt von einem Benehmen gegenüber zahlenden Gästen nicht die Spur einer Ahnung. Sie sind allesamt dumpf, stur, unfreundlich und klatschsüchtig und last but not least: politisch ganz, ganz rechts. Zitat: George Grosz
Kurzweiliges Schmökervergnügen
Der kleine Band ist kurzweilig in vierzehn Kapitel unterteilt. Er verführt von Anfang an zum Blättern. Es ist ein "Schmökervergnügen", weil er immer wieder mit Details aus dem Leben von Künstlerinnen und Künstlern überrascht. Stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Bilder, interessante Abdrucke von Manuskripten, Notenblättern und Zeichnungen finden sich ebenso wie Hinweise auf weiterführende Literatur zu den Biografien der vorgestellten Künstlerinnen und Künstler.
Schreiben am Meer. Wo der Himmel größer ist
- Seitenzahl:
- 160 Seiten
- Genre:
- Sachbuch
- Verlag:
- Transit Verlag
- Bestellnummer:
- 978 3 88747 412 6
- Preis:
- 18 Euro €