Schriftstellerin Ildikó von Kürthy: Bald auch Model?
"Die Recherche der Bücher ist für mich ein großer Ansporn, mich zu verändern, zu wachsen und gegen meine Ängste anzugehen", sagt Ildikó von Kürthy. Für ihr neues Buch stellt sie sich verschiedensten Herausforderungen.
Sachen, die man ab einem gewissen Alter einfach nicht mehr macht: sich mit einer fremden Person ein Doppelzimmer teilen, sich bei einer Modelagentur eine Sedcard anlegen lassen, Eisbaden - Ildikó von Kürthy sucht neue Herausforderungen. "Wie andere Leute Pilze sammeln, so sammle ich Erfahrungen", sagt die Hamburger Bestseller-Autorin, denn sie könne sich zwar viel ausdenken für ihre Bücher, brauche aber auch immer mal wieder "frische Farbe auf der Palette". In 25 Jahren hat sie 16 Bücher veröffentlicht. Schon ihr erstes, "Mondscheintarif", war mit zwei Millionen verkauften Exemplaren ein Riesenerfolg. Zuletzt erschien 2023 "Eine halbe Ewigkeit" - eine Hommage an lange Paarbeziehungen.
Dabei schreibt sie übers Leben, ihr eigenes und das ihrer Freundinnen, über die Liebe und den Tod und - gar nicht eitel, sondern unterhaltsam - über Selbstzweifel und Problemzonen. Letztere nimmt sie nun genauer in den Blick: erste Fältchen, graue Haare und die insgesamt "gar nicht mehr so adrette Hülle" - daran stört sich die Autorin herzlich wenig. Sie hat sich dem Alterungsprozess, dem "Welken", wie sie es nennt, zum Trotz bei einer Modelagentur für ein Casting angemeldet und ist ganz "aufgeregt, weil jetzt eine ganz neue Lebensepoche für mich beginnt", so Kürthy, "nämlich meine Karriere als Supermodel."
Was ist schön?
Die Agentur Mattmüller-Casting im Karoviertel gehört zu den ältesten People-Agenturen Hamburgs. Inhaberin Freya Fleckeisen und ihre Auszubildende Lea suchen für ihre Kunden echte Typen, keine Supermodels. In ihrer Kartei: Männer und Frauen jeder Altersklasse - auf Faltenfreiheit und Flachbrettbauch kommt es nicht an: Die Ausstrahlung zählt. "Ildikó hat mir vom Typ her sofort zugesagt. Sie steht zu ihrem Alter", erzählt Frey Fleckeisen, "sie trägt die Haare grau, hat offene, strahlende Augen und diesen schönen Mund. Das sind erstmal ein paar Fakten, auf die ich als erstes schaue. Da war für mich direkt klar, dass ich sie einladen möchte, weil sie ganz wunderbar an unser Raster passt."
Gerade Menschen über 50 müssen Falten haben, so Fleckeisen. Auch vermeintliche Makel wie eine kleine Narbe, Sommersprossen oder eine Zahnlücke, eine zu große Nase, eine zu kleine Nase oder ein bisschen schiefe Ohren seien durchaus gefragt. Kürthy selbst hat das dazu passende Selbstbild: "Ich finde mich eigentlich immer schöner und möchte nicht jünger aussehen. Ich empfinde eine große Gelassenheit den Runzeln gegenüber. Mir sind gefaltete Gesichter lieber." Es koste viel Energie, sich gegen den Strom der Zeit zu lehnen, sagt die Autorin. "Ich merke, dass bei mir viel Energie frei wird. Ich muss mich nicht so viel um mein Äußeres kümmern, die Kinder werden größer. Ich habe neue Kapazitäten und die möchte ich nicht in Äußerlichkeiten investieren."
Wie man ein Senior-Model wird
Vor dem Fotoshooting muss Kürthy ein umfangreiches Formular ausfüllen. Als die besonderen Fähigkeiten abgefragt werden, muss sie überlegen: "Gut schreiben können bringt ja hier nichts. Sehr gelenkig bin ich allerdings nicht, mache auch kein Yoga. Ich kann gut schwimmen - möchte aber keine Bademode machen. Dann schreibe ich es lieber nicht drauf." Die Fotos in den verschiedenen Outfits sind für Ildikós Setcard. Mit der schlägt Agenturinhaberin Freya ihr neues Model für verschiedene Foto- und Video-Jobs vor. Das Shooting ist kostenlos. Bei erfolgreicher Vermittlung erhält die Agentur 20 Prozent der Gage.
Freya Fleckeisen schwärmt von ihrem neuen Model: "Ildikó bietet so viel an: Sie ist locker und man merkt, dass sie absolut selbstbewusst ist. Es macht mir total viel Spaß mit ihr zu arbeiten und ich weiß, dass ich sie mit einer Anfrage tatsächlich ins kalte Wasser schubsen könnte."
Raus aus der Komfortzone, rein ins Leben
Eben diese erste Anfrage geht schon wenige Tage nach dem Shooting bei der Agentur ein. Was für ein Auftrag das genau sein wird, bleibt noch geheim. Es wird auf jeden Fall eine ganz neue Erfahrung für die Schriftstellerin, die ihre Komfortzone eigentlich nur ungern verlässt. "Mein Sofa ist für mich der wahre Hotspot und nichts zieht mich davon weg", gibt die Schriftstellerin zu. Doch für ihr neues Buch, das ein erzählerisches Sachbuch wird, schmeißt sie sich wagemutig in die Recherchearbeit. Hierfür wird sie sich ihren zahlreichen Schwächen und Ängsten stellen. Weiterhin auf der Liste sind unter anderem: ein Malkurs und ein Tanzkurs (ohne die Fähigkeit improvisieren zu können), zu Fuß über die Brooklyn Bridge gehen (gegen die Angst vor Brücken) und überhaupt erst einmal nach New York fliegen (trotz Flugangst). Auf dem Weg dorthin will sie das erste Kapitel ihres neuen Buches schreiben.
