Fotograf Hundert zeigt "Helden der Elbphilharmonie"
Seit der Eröffnung der Elbphilharmonie im Januar 2017 sind unzählige Bilder des Prestigebaus im Hamburger Hafen um die Welt gegangen. Die spektakuläre Wellenform des Daches, das Glitzern der gebogenen Fensterelemente, die spitzen Winkel im Innern des Gebäudes sind dankbare Motive für jeden Fotografen und natürlich auch schon zwischen Buchdeckeln in mehreren Bildbänden festgehalten worden.
Auf vielen Bildern der Elphi fehlen die Menschen
Dabei fehlt jedoch häufig eines: die Menschen, die den Konzerttempel überhaupt erst lebendig machen. Die Musiker, Dirigenten, Zuhörerinnen und Zuhörer. Aber ebenso die Platzanweiser, Reinigungskräfte, Kellnerinnen und Sanitäter - eben die wichtigen Leute hinter der Bühne, oder wie es auf Englisch heißt: "backstage". Peter Hundert hat diese Lücke mit seinem Bildband "Backstage Elbphilharmonie" geschlossen.
Die Sopranistin Barbara Hannigan erspürt kurz vor den Proben für ihren Auftritt die Aura des Großen Saals. Auf der Bühne im Lichtkegel stehend, Augen geschlossen, den Kopf leicht zurückgelegt, wirkt es, als sauge die Sängerin die Energie des Raumes ein, mit Ohren, Nase, Haut. Um sie herum ist Dunkel, nur die Notbeleuchtung im Zuschauerraum lässt Sitzlehnen erahnen und die Kraft, die in diesem so großzügig geschwungenen Saal wohnt und sich mit feinsten Sinnen erspüren lässt. "Ich fühle mich nicht wie eine Frau, wenn ich im Kreativraum bin", sagt sie. "Ich fühle mich dann eher wie ein wandelbares Tier."
Langzeitbeobachtung der Menschen hinter den Kulissen
Wer es vermag, erspürt die Elbphilharmonie. Als Musiker bei einem Auftritt auf der Bühne. Als flanierender Besucher in den Gängen. Oder als Fotograf, wie Peter Hundert, der nach seinem Erstbesuch wusste, hieraus muss ich ein Langzeitprojekt machen: "Ich wollte nach Möglichkeit vermeiden, klassische, bekannte oder erwartbare Ansichten fertiger Shows zu liefern", erzählt Hundert und sagt damit indirekt: Viel interessanter ist doch das Unfertige, sind die Proben, der Soundcheck, die Gespräche hinter den Kulissen! Genau das zeigt dieser Bildband meisterlich.
Gefühl wie ein Geiger im Orchester
Zum Beispiel damit: Der Dirigent Herbert Blomstedt, 90 Jahre alt, in Hemd und Pullover bei einer Probe. Den Kopf schräg gelegt, mit gewitztem Lächeln, den rechten Arm hochgerissen in einer parallelen Linie zur Kopfneigung; die Linke dimmt mit gespreizten Fingern den Klang der ersten Geigen. Alles im Griff, alles im Schwung. Diese Probe sitzt, verrät Blomstedts Gesicht. Der Betrachter darf sich wie ein Geiger im Orchester fühlen. Der Fotograf? Muss für diese Perspektive zwischen den Musikern gekniet oder gelegen haben.
"Die Elbphilharmonie hat eine gute Akustik, aber sie ist auch schwierig", so Fotograf Hundert. "Man muss lernen, dort zu spielen. Und man muss aufpassen: Alles wird gehört, alles!" Also auch ein sich überall herumdrückender Fotograf. "Jeder Fotograf sagt, dass er nicht nervt, und nicht bei allen stimmt das. Ich hab mich halt mit der Frage befasst: Wenn dieser Saal so unendlich hellhörig ist - was kann ich tun, um das für alle Beteiligten angenehmer zu gestalten? Das waren einfach so ganz profane Dinge wie: Was sind denn eigentlich die leisesten schwarzen Turnschuhe?"
Ungewohnte Einblicke und besondere Momente
Eine Viertelmillion Bilder hat Peter Hundert hinter den Kulissen der Elbphilharmonie aufgenommen - und rund 200 für diesen Bildband ausgewählt, wie das von Igor Levit bei einer Klangprobe am Flügel; mit dem kleinen Finger der Rechten drückt er eine weiße Taste - die Linke reckt sich dem sehr nah herangerückten Kameraobjektiv entgegen, sodass sein ausgestreckter Zeigefinger fast die Linse berührt: Ruhe!
Oder das von Patricia Kopatchinskaya in der Künstlergarderobe, so wie man sie kennt: Amüsiert lächelnd, Geige und Bogen in der linken Hand, mit rechts eine Kaffeetasse an die Lippen führend, alles zugleich, schnell, heiter, ein Wirbelwind aus Charme und Esprit. Sie sagt: "Einer der sensationellsten Säle, die man auf diesem Planeten gebaut hat! Man kann wirklich sehr, sehr leise hier spielen, und, ja, manchmal macht es sogar Angst, muss ich sagen: So präzise und so kristallklar ist der Klang hier."
Die applaudierenden Hände direkt am Bühnenrand im faszinierenden Spiel von Schärfe und Unschärfe darf der Fotograf gern auf seine Arbeit beziehen: ein wunderbares Buch voller wunderbarer Einblicke ist "Backstage Elbphilharmonie".
Backstage Elbphilharmonie
- Seitenzahl:
- 286 Seiten
- Genre:
- Fotoband
- Verlag:
- Köhler Verlag
- Veröffentlichungsdatum:
- 14.8.2019
- Bestellnummer:
- ISBN 978-3-7822-1330-1
- Preis:
- 39,90 €