Norddeutsche Dorfgeschichten: Martina Behms Roman "Hier draußen"
Martina Behm erzählt mit viel Gespür für Zwischentöne die Geschichte eines Paares, das mit den Kindern in ein Dorf in Schleswig-Holstein zieht. Julia Westlake hat die Autorin auf dem Land besucht.
"Hier draußen" auf dem Land, sagt man, wenn man aus der Stadt kommt. Und: "Hier draußen" hat Martina Behm ihren Debütroman genannt. Gelebt hat sie in Hamburg, in Oxford und auf dem Land. "Das Schönste ist für mich auf dem Land, dass man so viel Platz hat und dass es mit so einem Freiheitsgefühl einhergeht." In ihrem Roman ziehen Ingo und seine Familie von Hamburg nach "Hier draußen". Sie stellen sich das alles ganz großartig vor: Weite und Raum für die eigene Entfaltung in einer harmonischen Dorfgemeinschaft. Doch dann kommt ihren Träumen die Realität dazwischen.
"Ingo hat sich vielleicht erhofft, so ein bisschen mehr Entspannung zu bekommen und mal abschalten zu können von seinem stressigen Leben als Start-up Unternehmer", beschreibt die Autorin die Hoffnungen der Hauptfiguren. "Und seine Frau hat sich erhofft, dass sie auf dem Land mehr Familie und inniger zusammen sein können. Aber irgendwie hat sie dabei verdrängt, dass ihr Mann ja nach Hamburg pendeln muss. Und dann hat das leider auch nicht so geklappt."
Freundschaft, Aberglaube und das ganze Dorfleben
Auch wenn sich nicht alle Vorstellungen des Landlebens als wahr entpuppen, stimmen viele Dinge, die man sich vorgestellt hat doch, erklärt die Autorin. Sie hatte keine Hemmungen, als sie aufs Land zog, sofort mit dem Schreiben zu beginnen. Im Buch geht es auch gleich los: mit einer schicksalhaften Begegnung. Da springt Ingo auf der Heimfahrt eine weiße Hirschkuh vor das Auto. Das gilt als böses Omen, erklärt Martina Behm: "Es gibt einen Aberglauben bei Jägern, dass wenn man eine weiße Hirschkuh oder einen weißen Hirsch aus Versehen schießt, dass man dann selber innerhalb eines Jahres stirbt. Da ist natürlich bei mir die Fantasie dann losgegangen."
Ingo holt Jäger Uwe zu Hilfe und gemeinsam erschießen sie das verwundete Tier. Fortan verbindet die Männer die Angst, dass an dem Aberglauben möglicherweise doch etwas Wahres dran sein könnte. Daraus entwickelt sich eine Freundschaft. "Ingo hat das Gefühl", erzählt die Autorin, "dass er, wenn er mit Uwe zusammen ist, er selbst sein kann. Und Uwe will auch nichts von ihm. Uwe ist einfach zufrieden, wenn Ingo dabei ist. Beide sitzen schweigend miteinander im Hochsitz." Ingos Begeisterung für die Jagd wird zur Belastung für die Ehe.
Roman "Hier draußen": Kenntnisreich und ohne falsche Klischees
"Hier draußen" erzählt noch mehr Lebensgeschichten. Seite um Seite puzzelt sich so ein ganzes Dorf zusammen. Da gibt es zum Beispiel die Gründerin der Öko-WG, die statt Batik- jetzt Schlachtkurse anbietet, oder die in ihrer Ehe gefangene Bauersfrau, die Fremdenzimmer putzt, oder die perfekte Vorzeige-Landfrau. Zu Martina Behms Bild von einem Dorf gehören auch die Probleme der Landwirte. So sollten Städter wissen, dass Landwirt oder Landwirtin sein, "ein harter Beruf ist, an dem auch viel Herzblut dran hängt. Und wenn man einen Hof geerbt hat, den schon Generationen vorher bewirtschaftet haben, dann ist das nicht einfach nur ein Job, sondern es ist die Identität."
Mittlerweile ist Martina Behm vom Haus auf dem Land in eine Wohnung in der Kreisstadt umgezogen. So sehr sie die Weite mochte, empfand sie auch eine gewisse Enge. "Hier draußen“ ist manchmal leben und leben lassen nicht so angesagt. "Ich erinnere mich an den Spruch von unserem Nachbarn, der gesagt hat, jeder ist anders. Aber vielleicht gibt es dann für dieses Anderssein doch auch irgendwo eine Grenze." Martina Behm erzählt kenntnisreich und ohne falsche Klischees. "Hier draußen" ist ein Roman für Menschen in der Stadt und auf dem Land. Und für alle, die die darüber nachdenken, von der Stadt aufs Land zu ziehen.
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