"Noch wach?": Die Stuckrad-Barre-Show in Hamburg
Benjamin von Stuckrad-Barres Roman "Noch wach?" über Machtmissbrauch in einem großen deutschen Medienkonzern sorgte nach seiner Veröffentlichung für viel Wirbel. Nun hat der Autor in der Hamburger Markthalle daraus gelesen.
Es geht los, wie es sich für einen Popstar der Literatur gehört. Nachdem lange ein lauter Remix des Britney Spears Songs "Toxic" läuft, explodiert die Bühne dann im Licht und zu Falcos "Out of the Dark" springt Benjamin von Stuckrad-Barre auf die Bühne. Beim Publikum Extase - als seien Britney aus Amerika oder Falco aus dem Grab persönlich eingeflogen. Bevor es losgeht, dreht Benjamin von Stuckrad-Barre schon einmal eine Ehrenrunde durch die Zuschauer in der Markthalle und lässt sich feiern.
Es sei wunderbar in der Markthalle aufzutreten, in der Anno 1978 der amerikanische Kultautor Charles Bukowski seine einzige Deutschland-Lesung überhaupt hatte, sagt er. Kurz nachdem er 1994 nach Hamburg gezogen sei, habe er hier auch die Britpop Band Blur gesehen. Damals war er 19. Heute ist er 48 und Pop ist nicht mehr so sehr da Thema, sondern #metoo. Benjamin von Stuckrad-Barre erklärt einige der Figuren in "Noch wach?": "Da gibt es dann noch einen etwas älteren leitenden Mitarbeiter, der hilft ganz gerne den jungen Moderatorinnen beim Verkabeln. Das ist ja sehr hilfreich. Der heißt der Fummel-Opi. Normaler Spitzname, FC St.Pauli-Klaus. Fummel-Opi."
Nervöser Beginn von Stuckrad-Barre
Benjamin von Stuckrad-Barre ist wahnsinnig nervös, er zittert an den Händen. Steckt sich hin und wieder eine Zigarette an. Nimmt dann seine Zuschauer mit in einen Gedankenstrom. Spinnt sich scherzhaft zusammen, dass sein Roman eigentlich von einem Ehepaar in Krisenzeiten handelt, wundert sich, dass er die Acts, die nach ihm im Juni so in der Markthalle auftreten, gar nicht kenne. Außerdem erzählt er, wie unangenehm es ihm sei, wenn man ihn bitte mal was zu lesen, was man geschrieben habe. Mitschneiden darf man das leider nicht, sein Publikum kichert aber durchweg.
Stuckrad-Barre polarisiert - das kommt an
Die Menschen kommen unter anderem, weil sie mögen, dass Stuckrad-Barre aneckt. "Wir haben das doppelte ausgegeben, weil wir die Karten auf dem Schwarzmarkt gekauft haben", sagt ein Zuhörer. Ein weiterer bekennt: "Ich finde, der polarisiert. Das ist kein Typ, der in Kategorien passt, das mag ich super gerne." Aber nicht nur von Stuckrad-Barres Auftreten, auch seine Lesefähigkeit zieht die Leute an: "Er ist ein guter Imitator von einem bestimmten Sound, man kann sich die Hauptfiguren aus dem Roman real vorstellen."
Thema des Romans interessiert kaum
Was auffällt: Kaum jemand, den man anspricht, interessiert sich so wirklich für das Thema von "Noch wach?" Selbst die, die es schon gelesen haben - und das sind durchaus einige - erzählen, dass sie vor allem wegen des Autors kommen. Der liest nach den ersten 30 Minuten mal mehr mal weniger lustigem Gefasel über eine Stunde sehr konzentriert.
Schon mit elf, zwölf haben wir als Mädchen gelernt nachts die Straßenseite zu wechseln, wenn wir hinter uns Schritte hören. Und wenn wir nachts alleine sind am besten echte oder zumindest fake Telefonate führen, damit die Typen eben denken, wir könnten direkt Hilfe verständigen. Auszug aus Benjamin von Stuckrad-Barres Roman "Noch wach?"
Keine Hinweise auf Grund für "Noch wach"
Über das Warum seines Medienromans spricht Stuckrad-Barre, übrigens der Taufpate eines Sohnes von Springer-Chef Matthias Döpfner, nicht. Auffällig oft betont er, dass alles total erfunden sei. Verklagt werden kann er so nicht. Viele im Publikum haben das Buch schon gelesen. Urteil: Gemischt.
Mindestens 160.000 Exemplare hat Benjamin von Stuckrad-Barre schon verkauft, auch am Büchertisch schmilzt der Vorrat an diesem Abend schnell dahin. Die Lesung war zudem seit Monaten ausverkauft. Benjamin von Stuckrad-Barre ist eine Fanmagnet, was allerdings nur bedingt an seinen Texten zu liegen scheint. Sein Geheimnis dürfte sein: Dieser Autor langweilt nicht, sondern liefert die Show zum Buch.