Buchcover Mini Horror © Residenz Verlag
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AUDIO: "Minihorror": Gewinner des Preises der Leipziger Buchmesse (4 Min)

"Minihorror": Preis der Leipziger Buchmesse für ein "Lustiges Taschenbuch"

Stand: 22.03.2024 12:08 Uhr

Die Hauptfiguren in "Minihorror" heißen Mini und Miki, ein Pärchen um die 40, zwei ganz normale Menschen und irgendwie auch Mäuse. Die beiden leben in Wien und treten in verschiedenen Geschichten auf.

von Moritz Klein

Auch wenn Barbi Marković dafür den Preis der Leipziger Buchmesse erhalten hat: Das Buch als Roman lesen zu wollen, würde seiner spezifischen ästhetischen Qualität nicht gerecht. Auch ein Episodenroman ist es trotz der konstanten Hauptfiguren eher nicht. Vielmehr hat die Autorin selbst ganz explizit auf das Format der "Lustigen Taschenbücher" verwiesen und damit auf das popkulturelle Prinzip der seriellen Variation - das Marković virtuos nutzt und zu höchster literarischer Agilität treibt.

Barbi Marković © picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt
AUDIO: Der "Minihorror" des Alltags - Barbi Marković im Gespräch (26 Min)

28 verschiedene Geschichten

Erzählwelt und Figuren sind einigermaßen konsistent, aber variabel, dehnbar wie das Universum der Disney-Comics in den "Lustigen Taschenbüchern". So stammt etwa Mini aus Serbien, Miki mal aus der ober-östereichischen Provinz, mal aus der Steiermark. Zu Beginn jedes neuen Abenteuers wird alles auf Basiszustand zurückgesetzt. Nie folgt aus dem Vorangegangenen dauerhafte Veränderung. Es sind einfach 28 verschiedene Geschichten mit Miki und Mini.

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Barbi Marković © picture alliance / dts-Agentur | -

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Horror, der aus dem banalen Alltag entsteht

Der Titel gibt den episodischen Variationen eine Art Oberbegriff. "Minihorror" - Horrorgeschichten mit Mini und Miki, klar. Bezeichnet ist damit aber auch die Kurzprosaform, aus der Marković mit Anleihen bei cartoonhaften Erzähltechniken auch sprachlich tolle Effekte schlägt. Und drittens ist es Horror, der aus dem Minikleinen des banalen Alltags entsteht.

Beim Aufräumen und Putzen der gemeinsamen Wohnung etwa steigert sich in einer Geschichte die Aggressivität in Splatter-Tagträume von bestialischem Partnermord:

Man wird einen oder eine von beiden tot auffinden in einer schrecklichen Szene mit Blut und allem, was mit Blut zusammenhängt. Und der, oder die andere wird völlig perplex danebensitzen und die Mordwaffe oder die in der Rage aus den eigenen Fingern plötzlich herausgewachsenen Krallen anstarren. Auszug aus "Minihorror"

Wohnthema als Spektrum des Grauens

Das ist noch ein ganz humoristischer, komödientauglicher Alltagshorror. Aber dabei bleibt es nicht. Am Motivkomplex des Wohnens lässt sich das Spektrum des Grauens gut aufzeigen. In einer anderen Geschichte wird das Wohnthema surreal weiter eskaliert. Die Zeit, beziehungsweise die Verfallsrate der Dinge, scheint in der Wohnung von Miki und Mini schneller zu werden. Alles schimmelt und verwest rasend schnell. Ungeziefer nimmt Überhand.

Die Handlung wird hier fantastischer, horrorhaft im klassischeren Sinne. Doch auch ein Realitätsbezug zur aktuellen Problematik des Wohnungsmarktes wird deutlicher. Am Ende der Geschichte sitzen die beiden in einem Zelt, abgeriegelt gegen das zur fremden Außenwelt gewordene Wohnzimmer und durchforsten die Immobilienportale.

Während sie traurige Bestlagen und Albtraumausblicke, unbefristete Einzimmergefängnisse, sonnige Shitwohnungen mit Blick auf Neuroseninnenhöfe und großzügige Milliardenvergnügen anklicken, bis ihre Hirne schmerzen, kriechen fingerlange Würmer über den Parkettboden. Mini und Miki sind schon seit Wochen jeden Tag auf diesen Portalen unterwegs und finden nichts für sich. Langsam sind sie bereit zu sagen, dass dieses Spiel abgekartet und unfair ist. Sie fühlen sich wirtschaftlich und körperlich schwächer und schwächer. Auszug aus "Minihorror"

Bonusmaterial mit 150 Plot-Skizzen

Kontrollverlust über das eigene Leben wäre vielleicht der gemeinsame Nenner, der Begriff, auf den man den Horror in allen oder den meisten Geschichten bringen könnte. Durchgespielt werden seine seriellen Variationen höchst unterhaltsam mit offenbar grenzenlosem Einfallsreichtum: Minihorror - Riesenspaß.

Als Bonusmaterial gibt es noch einen Anhang mit zwei Gastbeiträgen und nicht weniger als 150 Plot-Skizzen für "weitere Horrors mit Mini und Miki". Illustriert von Ivana Kličković mit krakeligen Mäusezeichnungen. Überhaupt ist Minihorror auch buchgestalterisch sehr schön gemacht. Allerdings wird die volle formal-ästhetische Konsequenz erst mit der Taschenbuchausgabe verwirklicht werden. Dann wird es buchstäblich ein "Lustiges Taschenbuch" sein.

Minihorror

Seitenzahl:
192 Seiten
Genre:
Kurzgeschichten
Verlag:
Residenz
Veröffentlichungsdatum:
6. Oktober 2023
Preis:
24 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Das Gespräch | 24.03.2024 | 13:05 Uhr

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