Jojo Moyes über bequeme Schuhe, "Frauenliteratur" und Luxus
Jojo Moyes ist Bestsellerautorin, Schriftstellerin, schreibt Drehbücher und hat erneut einen Roman veröffentlicht: "Mein Leben in deinem". Den hat sie in Hamburg vorgestellt: im Studio des NDR und bei einer Lesung.
Die 53-jährige britische Schriftstellerin ist 2013 mit ihrem Roman "Ein ganzes halbes Jahr" weltberühmt geworden. Es war damals das erfolgreichste Buch in Deutschland. Es folgten viele weitere Bestseller der Britin. Nun ist der neue Roman da: "Mein Leben in deinem". Darüber hat sie im Gespräch mit dem Norddeutschen Rundfunk gesprochen - und über Putzen, edle und bequeme Schuhe, über den Begriff "Frauenliteratur" und über Luxus.
Jojo Moyes: "Habe acht Bücher geschrieben, bevor eines zum Bestseller wurde"
Im neuen Roman geht es um zwei sehr unterschiedliche Frauen, Sam und Nisha. Nisha ist sehr reich, wohnt in einem Hotel und hat einen reichen Partner, nur das Teuerste kommt infrage. Sie ist arrogant und will mit einfachen Leuten nichts zu tun haben. Sam kämpft mit dem harten Alltag, der Mann ist depressiv. Ihr Job ist gerade die Hölle, ihr Chef ein Macho und ihre Teenagertochter macht alles nicht leichter. Die beiden Frauen vertauschen dann im Fitnessstudio ihre beiden Taschen: Sam nimmt aus Versehen die von Nish mit. Plötzlich hat sie teure Klamotten und Schuhe von einem weltberühmten Designer. Sie muss damit in aller Eile einen wichtigen Termin wahrnehmen. In diesen Schuhen kommt ihr Leben in Bewegung. Nish wird ihrerseits von ihrem Mann von jetzt auf gleich vor die Tür gesetzt und die Kreditkarten sind gesperrt. Ein dickes Buch voller Witz.
Frau Moyes: Nach der Lektüre dieses Buches werden wahrscheinlich viele Leute darauf achten, welche Schuhe Sie tragen. Was tragen Sie heute bei uns um Studio?
Jojo Moyes: Leider muss ich Sie enttäuschen. Es sind nur weiße Tennisschuhe. Seit dem Lockdown haben Frauen in England wohl nur flache Schuhe, Stiefel oder Turnschuhe getragen. Ich bin eine davon!
Haben Sie auch so richtig elegante Schuhe zuhause?
Moyes: Doch, die habe ich, aber ich muss gestehen, ich schaue sie mir lieber an. Ich liebe es, sie zu besitzen, sie sind wunderschön. Aber irgendwie stehen sie nur in meinem Schrank.
Sie schwimmen auf der Spitze des Erfolges, am Anfang hatten Sie aber auch eine lange Durststrecke. Wie viel Nish steckt in Ihnen, wie wichtig ist Ihnen Luxus?
Moyes: Oh, das hat mich noch nie jemand gefragt. Ich liebe gute Stoffe, ich bin ein haptischer Mensch. Ich liebe das Gefühl, Kaschmir anzufassen. Seide. Das ist natürlich nicht sehr praktisch. Aber ich ertrage es nicht, irgendetwas davon wegzuschmeißen. Ich habe gerade einen Reparaturservice gefunden, wo man die Teile im Umschlag hinschicken und sie ausbessern lassen kann. Das ist also mein Luxus, dass ich meine teuren Oberteile ausbessern lasse. So schütze ich die Umwelt ein wenig und kann meine Lieblingsteile weiter nutzen.
Wie sehr hat sich Ihr Leben durch den Erfolg verändert?
Moyes: Oh, es hat sich gewaltig verändert. Die erste Veränderung war: Ich habe endlich Leserinnen und Leser. Endlich! Ich habe drei Bücher geschrieben, bevor ein Verlag sich eines angenommen hat. Und ich habe acht geschrieben, bevor eines zum Bestseller wurde. Der größte emotionale Unterschied war also, das sichere Gefühl zu haben, dass die Leute lesen wollten, was ich schreibe. Außerdem hat sich meine finanzielle Situation verändert. Aber meine Leidenschaft ist der Schreibprozess. Ich liebe es, zu schreiben. Das ist genau das, was ich den Rest meines Lebens machen möchte. Romane, Drehbücher, Geschichten. Das finanzielle Polster ermöglicht mir, das zu tun, was ich am meisten liebe.
Wie haben Sie es in der Anfangszeit geschafft, durchzuhalten?
Moyes: Ich bin einfach störrisch. Ich habe einfach keinen Grund gesehen, warum ich nicht eines Tages verlegt werden könnte. Ich habe es einfach immer wieder versucht. Ich bin ein störrischer Mensch. Im Nachhinein weiß ich aber nicht so recht, wie ich es gemacht habe. Ich habe außerdem gearbeitet und habe ein Baby gehabt. Keine Ahnung, woher ich die Zeit genommen habe.
Sie wirken wie ein wirklich energiegeladener Mensch …
Moyes: Das bin ich. Mein Partner kann es nicht fassen, was ich an einem Tag alles unterkriege. Ich wache morgens gegen sechs auf und bin eine von denen, die dann nicht wieder einschlafen kann. Dann bringe ich die Hunde zwei Stunden lang heraus, dann arbeite ich und lege mich wieder kurz hin und sabbere auf mein Sofakissen.
Was macht eine gute Geschichte für Sie aus?
Moyes: Es muss irgendeine Art von Spannung darin geben. Es gibt immer Spannung oder einen Widerstand zwischen dem, was du willst und dem, was du hast. Alle guten Lovestorys basieren auf dieser Spannung. Niemand will die Geschichten lesen, wo ein Mensch in den anderen verliebt ist und sie kommen sofort zueinander. Man muss Hürden haben, Widerstände, Begehren. Sehnsucht. Reibung zwischen den Figuren. Es gibt eine Million Zutaten für eine gute Geschichte.
Was halten Sie vom Begriff "Frauenliteratur"?
Moyes: Ich hasse ihn. Ich sage mir immer, "ich habe so viel Glück, weil ich so viele Leser habe." Ich sollte mich also wirklich über nichts beschweren. Aber ich glaube, viele Männer entsagen sich durch diesen Begriff einiger Bücher, die sie vielleicht mögen würden, wenn die Bücher nicht unter dem Begriff kategorisiert wären. Ein literarisches Phänomen der letzten Jahre ist, schätze ich, dass sich die Grenzen der Genres verwischen. Es gibt viele Bücher, die Männer und Frauen gleichermaßen gern lesen. Ich liebe alle möglichen Arten von Fiktion. Ich empfinde den Begriff als einengend. Wir sollten einfach nur den Begriff Literatur verwenden.
Wovon haben Sie beim Aufwachsen geträumt?
Moyes: Ich bin in finanziell bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Meine Eltern haben hart gearbeitet, hatten aber kein großes Einkommen. Mein erster Job war als Putzhilfe. Ich habe also das Gefühl, in meinem Leben viele Arten der Gesellschaft kennengelernt zu haben. Auch in meiner Verwandtschaft gab es unterschiedliche Familien, mit wenig Geld oder recht wohlhabend. Daher habe ich nie das Gefühl gehabt, irgendwo reinzupassen. Das ist gut als Schriftstellerin, weil ich denke, ich kann über alles Mögliche schreiben. Du kannst nicht Bücher schreiben und gleichzeitig die Ungleichheiten in der Gesellschaft ignorieren. Den Geldmangel oder Mangel an Möglichkeiten. Ich bin vom Thema besessen, das ist wohl in meinen Büchern zu spüren.
Meinen Sie, Ihre Leserinnen und Leser können daran anknüpfen?
Moyes: Ich denke schon. Mein größter Erfolg war "Ein ganzes halbes Jahr" und was ich nach dem Schreiben gelernt habe, ist, dass die Leute Louisa Clark verstanden haben, die 26 Jahre alt war und noch nicht recht wusste, was sie im Leben wollte. Sie steckte in langweiligen Jobs fest. Viele scheinen sich damit zu identifizieren. Nicht jeder verlegt Modemagazine in Manhattan. Sie war ein einfaches Mädchen, das hat die Leute berührt.
Meinen Sie, Sie könnten heute noch, wie Ihre Heldin Nish, ein Hotelzimmer in fünf Minuten saubermachen?
Moyes: Auf keinen Fall. Meine Mutter sagte mir schon damals, als ich für ihre Freundinnen geputzt habe, dass ich nicht gut darin war (lacht). Auch zu Hause mache ich nur das Wichtigste. Ich habe eben gemerkt, wenn ich nur eine bestimmte Menge an Energie hat, dann investiere ich die gern in Zeit zum Schreiben, Zeit mit meinen Kindern. Den Rest wie Kochen, den Garten, habe ich in professionelle Hände gegeben.
Wie ist Ihr Schreibprozess? Ihr neuer Roman fühlt sich so leicht an, als sei er mit Leichtigkeit geschrieben.
Moyes: Sie werden staunen. Es ist kein einziger Satz aus dem Anfang meines Manuskripts übrig. Ich nähere mich der Geschichte über ihre emotionale Wahrheit, und bearbeite die Szenen jeden Tag aufs Neue, bis es sich richtig anfühlt. Der Kern des Ganzen ist: Wenn die Emotion stimmt, kann ich am Schreiben feilen.
Wenn Ihr Buch "Mein Leben in deinem" also etwa 500 Seiten umfasst, wie viele sind im Papierkorb gelandet?
Moyes: So ungefähr 1.000. Wirklich.
Die Fragen stellten Jan Ehlert, Daniel Kaiser und Danny Marques