Helga van Beuningen - Die deutsche Stimme von Cees Nooteboom
Sie zählt zu den renommiertesten Übersetzerinnen aus dem Niederländischen. Allein von Nooteboom hat sie etwa 50 Romane übertragen. Nicht immer ein einfaches Unterfangen, wie sie im Gespräch mit NDR Kultur erzählt.
Literatur aus den Niederlanden und Flandern steht in diesem Jahr im Mittelpunkt der Leipziger Buchmesse, die in der kommenden Wochen beginnt. Es ist ein recht kleiner Sprachraum mit einer erstaunlich vielfältigen Literatur. Zu ihrer Popularität in Deutschland trägt auch die Übersetzerin Helga van Beuningen bei. Es gebe dort einfach sehr viele gute Autorinnen und Autoren, auch weil die Niederlande ein Leseland seien.
Frau van Beuningen, die bekanntesten Autoren, die Sie übersetzen, sind Margriet de Moor und Cees Nooteboom. Man kann zweifellos sagen, dass es auch Ihre Übersetzungsarbeit ist, die die beiden in Deutschland so berühmt und so beliebt gemacht hat. Wie ist die Zusammenarbeit mit diesen zum Teil recht schillernden Menschen?
Helga van Beuningen: Als sehr abwechslungsreich, sehr bereichernd, sehr spannend, sehr interessant. Mit Cees Nooteboom verbindet mich inzwischen eine fast 35-jährige Zusammenarbeit. Ich habe fast 50 Bücher von ihm übersetzt. Was natürlich ungeheuer viel ist, aber er hat auch ungeheuer viel geschrieben. Und da Cees Nooteboom viele Sprachen sehr gut spricht, hat er sich in den ersten Jahren - man kann freundlich sagen: um die Übersetzung gekümmert. Man kann aber auch etwas weniger freundlich sagen: Er hat sich eingemischt - was für mich nicht immer ganz einfach war und manchmal zu langen Diskussionen führte. Aber wir kamen nach einigen Jahren doch an den Punkt, wo er, was mich sehr gefreut hat, gemerkt hat, wie ich mit seinen Texten umgehe. Er hat dann aufgehört, die Übersetzung zu lesen und zu prüfen und hat in Interviews gesagt: Helga ist meine deutsche Stimme, ich vertraue ihr voll. Das war ein wahnsinniges Lob für mich.
Durch diese Treue zwischen Autor und Übersetzerin kann ein jahrzehntelanges Arbeitsverhältnis entstehen. Die Kehrseite ist, dass manch andere Autorinnen oder Autoren vergeben sind, zum Beispiel Maarten ’t Hart an den Kollegen Gregor Seferens oder zum Beispiel Jessica Durlacher an Hanni Ehlers. Haben Sie da manchmal ein leises Bedauern darüber, dass Sie diese nicht übersetzen können?
van Beuningen: Nein, eigentlich nicht. Weil ich so ausgelastet war mit meinen festen Autoren und Autorinnen, dass ich überhaupt keine Zeit gehabt hätte, noch mehr zu machen. Natürlich, wenn man ein Debüt auf Niederländisch liest und es noch keine Übersetzung gibt, dann juckt es einen in den Fingern, wenn man passionierter Übersetzer ist, aber die Vernunft sagt dann: Ich kann nicht alles machen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Gerade bei der Vielfalt an niederländischsprachigen Autorinnen und Autoren, die jetzt dankenswerterweise ins Deutsch übersetzt werden.
Wie erklären Sie sich, dass das ein so kleiner Sprachraum, so große, so vielfältige Literatur hervorbringt?
van Beuningen: Weil die einfach so gut sind. Das ist eine schwierige Frage. Ich könnte mir vorstellen, dass es auch durchaus mal wieder Phasen geben wird, wo nicht so viele Autorinnen und Autoren hervortreten. Aber es liegt sicherlich auch an der sehr guten Literatur- und Übersetzungsförderung von Seiten der Niederlande und von Flandern, dass sie auf sehr vielfältige Weise dafür sorgen, dass ihre Autorinnen und Autoren im Ausland auch bekannt werden.
Früher war ich häufiger in den Niederlanden und mir ist immer aufgefallen, dass die Niederlande mehr ein Leseland sind als wir. Natürlich ist auch dort, gerade in der jungen Generation, der Einfluss der sozialen Medien sehr groß, aber man sieht sehr häufig in öffentlichen Verkehrsmitteln, dass Leute nicht nur in ihr Handy starren, sondern dass sie ein Buch lesen.
Das Motto des Gastlandauftrittes der Niederlande und Flandern auf der Leipziger Buchmesse lautet: "Alles außer flach". Finden Sie das gut gewählt?
van Beuningen: Ich finde das sehr gut gewählt. Das macht neugierig und man fühlt sich bemüßigt, das zu hinterfragen oder darüber nachzudenken. Es spielt vordergründig auf das flache Land an, aber es sagt auch: Es ist nicht flach, was auf dem literarischen Gebiet produziert wird. Ich finde, das ist ein prima Titel.
Das Interview führte Raliza Nikolov.