Hannah Arendt Tage stellen die Machtfrage
"Unkontrollierte Macht - Vom Trend zur Autokratie": Unter diesem Motto erinnert die 25. Ausgabe der Hannah Arendt Tage in diesem Jahr an die politische Theoretikerin und Philosophin aus Hannover.
Mit dem Vortrag "Europäische Grundwerte: Ohne Rechtsstaatlichkeit keine Demokratie" von Katarina Barley wurden die Hannah Arendt Tage am Dienstag eröffnet. Klug, souverän und spannend berichtet die Juristin und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, mit welchen Strategien Machthaber ihre Alleinherrschaft befestigen.
"Es geht immer gegen die Unabhängigkeit der Justiz", sagt die ehemalige Bundesjustizministerin. "Es geht immer gegen die freien Medien. Es geht fast immer gegen die Rechte der Frauen und es geht gegen die kritische Kultur." Katarina Barley fasst zu Beginn ihres Vortrages im sehr gut besuchten Calder-Saal des Sprengel Museums die Merkmale zusammen, die sich beim Entstehen von Autokratien beobachten lassen.
Katarina Barley über Orbans Machtsicherung
"Wenn er die Wahl verliert, wird er die Macht nicht abgeben", sagt Barley in Bezug auf Viktor Orbán. Er habe überall seine Leute und er habe alle wichtigen Fragen mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit abgesichert. "Wenn Sie Stiftungen verändern wollen, wenn Sie Leute abwählen wollen, dann brauchen Sie eine Zwei-Drittel-Mehrheit", schildert Barley. Die Opposition könne nicht gewinnen. "Wenn sie gewinnt, dann sicher nicht mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit."
Zeitgenössische Kunst: Kritische Stimme der Demokratie
Auch Wissenschaft und Kultur sind von unkontrollierter Macht bedroht. Dazu tauschen sich auf dem Podium der Kestner Gesellschaft eine Philosophin, ein Vertreter einer Denkfabrik und ein Kulturpolitikforscher aus. In der Kunst ist sie jedoch geradezu lebenswichtig. "Die zeitgenössische Kunst ist immer eminent kritisch", gibt der Direktor des Sprengel Museums, Reinhard Spieler, zu bedenken. "Und gerade diese kritische Stimme ist wichtig für die Demokratie. Sie muss unkontrolliert sein, um diese Kritik sichtbar pointiert zu liefern."
Hannah Arendt Tage wollen jüngere Generationen erreichen
Die 25. Hannah Arendt Tage sind die letzten mit einem festen Kuratorium. Ab kommendem Jahr sollen wechselnde Expertinnen und Experten die Konzeption übernehmen. Schon in diesem Jahr wurden mit zwei Schulen aus Hannover Akteurinnen integriert, die zum Thema autoritärer Staaten eine Ausstellung mit Graphic Novels und einen Blog präsentieren. "Die Idee ist, dass wir die Veranstaltungsreihe für verschiedenste Generationen öffnen", sagt Belit Onay, der Oberbürgermeister Hannovers. "Und gerade für die junge Generation ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, deutlich zu machen, dass autoritäre Staaten sehr schnell und sehr wuchtig in die Nähe Europas rücken können."
"Unangenehme Positionen und Kontroversen aushalten"
Hannah Arendts Lebensthema war die Frage, was Politik eigentlich ist. "Beeinflusst durch selbst erlebte Unterdrückung in einem totalitären System", sagt die Arendt-Forscherin Franziska Martinsen. Jeder einzelne könne etwas dafür tun, damit es nicht so weit komme. "Politik besteht daraus, dass wir im Öffentlichen zusammentreffen, dass wir aushandeln, dass wir streiten und unangenehme Positionen und Kontroversen aushalten", sagt die Professorin vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Duisburg-Essen. "Dass das mühsam ist, darum kommen wir nicht herum. Aber auf der anderen Seite ist die Demokratie die einzige Verfassungsform, die Freiheit garantiert."
Hannah Arendt Tage stellen die Machtfrage
Mit einem Vortrag zur Rechtsstaatlichkeit von Katarina Barley wurden die Hannah Arendt Tage in Hannover eröffnet.
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Trammplatz 2
30159 Hannover