"Schiefer Turm von Lübz": Kummerkasten oder Theaterkulisse?
Die Künstler Johannes Terbach und Axel Joppen haben in Lübz aus Müll einen schiefen Turm mit eigenem Briefkasten gebaut. Über das Kunstobjekt wollen sie mit der Bevölkerung in Dialog treten.
Ein Turm, zwei Künstler. Beide wollten, hier in Lübz (Landkreis Ludwigslust-Parchim), hoch hinaus, sagt Johannes Terbach. "Sie sehen ein Objekt, das nur aus Müll - Holzmüll hauptsächlich - besteht. Und den Müll wollten wir so verarbeiten, dass man gar nicht mehr sieht, dass es Müll ist, dass es trotzdem etwas Schönes ist, ein ästhetisches Gebilde", sagt Terbach. Denn für die beiden Bildhauer gebe es keinen Müll. "Es gibt nur Gegenstände, deren Weiterverwendung bislang ungeklärt ist", betont der Künstler.
"Briefkastenfirma in aufgipfelnder Schieflage"
Der Turm sollte von Beginn an schief werden. Das beziehe sich auf das Wort "Schieflage". Der Titel des Objekts: "Briefkastenfirma in aufgipfelnder Schieflage". "Das symbolisiert, dass alles fragil wird, dass sich immer mehr Probleme potenzieren und dadurch eben Dinge in Schieflage geraten. Und die Analogie im Grunde zu einem schiefen Turm ist eigentlich sekundär dabei. Primär geht es eigentlich um Strukturen oder auch finanzielle Strukturen, die in ihrer Aufgipfelung immer absurder werden", erklärt Terbach.
"Die Ästhetiker-Gewerkschaft"
Johannes Terbach schuf an gut zehn Tagen diesen Turm gemeinsam mit Axel Joppen. Wenn sie zusammen arbeiten, nennen sie sich: "Die Ästhetiker-Gewerkschaft". "Das ist sozusagen unser Gruppenname", sagt Joppen. Wolfgang Vogt, der Leiter des Kulturforums Pampin in Süd-Westmecklenburg hatte ihnen angeboten, Material über die eine Entsorgungsfirma zur Verfügung zu stellen für die Aktion.
Er ist außerdem Geschäftsführer der "Lupinale", die 2024 zwischen Mai und Oktober Künstler und ihre Werke an neun Orten des Landkreises Ludwigslust-Parchim präsentiert. Einer davon ist Lübz. "Dann hatten wir natürlich den Titel der Lupinale im Kopf 'Balance' und dadurch ist natürlich diese Schieflage entstanden", erzählt Joppen.
Turm ist "Work in Progress"
Mitten in Lübz, beim Atelierhaus "Zentrum für zirkuläre Kunst", ist nun bis Ende September diese Installation zu sehen. Die Künstler wollen die Besuchenden einbeziehen in den Prozess des Werdens der Skulptur. "Das kann mit Farbe sein, oder in dem Turm sind zum Beispiel so alte Fenster verarbeitet, die könnten als Bilderrahmen verwendet werden", erläutert Joppen. Der Turm könne auch als Theaterrequisit dienen, betont er. "Da sind wir noch nicht so festgelegt, dass ist auch mit der Leitung der Lupinale so abgesprochen, dass es, wie man heute so schön sagt, Work in Progress ist und sich entwickelt."
Axel Joppen verweist darauf, dass der Titel der Skulptur bei Beginn der Arbeit noch gar nicht feststand. "Wir haben dann beim Arbeiten hier einen alten Briefkasten gefunden und dadurch hat sich der Titel 'Briefkastenfirma in aufgipfelnder Schieflage' ergeben." Den werden sie dann ganz offiziell im Rahmen eines Hoffestes bekannt geben, sagt der Künstler.
Kunst und Kummerkasten
Johannes Terbach nennt den Briefkasten gar einen Kummerkasten. "Unter gewissen seelsorgerischen Aspekten können Leute ihre Wünsche und ihre Sorgen natürlich auch in diesem Briefkasten hinterlassen. Und dann nehmen wir das auf und gucken mal, wie weit die Bevölkerung hier von uns einbezogen werden will", erzählt Terbach. Sie haben beide ein ganz großes Interesse an einer Interaktion mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort, sagt er.
Zwar stammen beide Künstler ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen. Johannes Terbach wohnt inzwischen in Goldberg (Landkreis Ludwigslust-Parchim) und Axel Joppen plant einen Umzug von Eberswalde in Brandenburg nach Mecklenburg. Insofern könnte der Schiefe Turm von Lübz auch der Auftakt für weitere Aktionen beider Künstler im Rahmen einer weiteren Lupinale sein.