Halloween: Welche Gruselgeschichte lässt einen nicht mehr los?
Zum weltweiten Feiertag des Horrors, importiert als "Halloween" aus den USA, macht unsere Literaturredaktion sich Gedanken über Grusel und Horror zwischen zwei Buchdeckeln.
Kürbisse werden ausgehöhlt, mit Fratzen versehen und von innen schauerlich beleuchtet. Kinder verkleiden sich gruselig und sammeln an Haustüren Süßigkeiten. Was früher mal Erntedank war, ist heute dem Grusel gewidmet. Wer sich dann weiter gruseln möchte, kann auf einige Bücher zurückgreifen - hier fünf Buchtipps aus der Redaktion.
Silvia Moreno-Garcia: "Der mexikanische Fluch"
NDR Kultur Redakteurin Maren Ahring findet: "Eigentlich nehme ich bei Geistern, Grusel und Gothic sofort Reißaus. Mancher "Tatort" ist mir schon zu unheimlich. Was mich dann trotzdem dazu verleitet hat, den Roman "Der mexikanische Fluch" zu lesen, weiß ich gar nicht. Der hat nämlich viele Zutaten eines klassischen Gruselromans: ein abgelegenes, verfallenes Herrenhaus in den Bergen Mexikos, einen uralten Patriarchen, vor dem alle Angst haben - und eine junge Frau, die fürchtet vergiftet zu werden. Aber ich bin drangeblieben und habe dieses Buch sogar sehr gerne gelesen. Silvia Moreno-Garcia baut die Spannung langsam und bedacht auf. Und der Grusel kriecht der Leserin sehr sachte, aber beständig unter die Haut. Atmosphärisch ist dieser moderne Schauerroman - 2020 im Original erschienen - ein echtes Meisterwerk. Es muss Vergleiche mit den Klassikern dieses Genres nicht scheuen."
Bram Stoker: "Dracula"
NDR Kultur Redakteur Joachim Dicks meint: "Schon der Klang des Wortes Dracula erzeugt schauerliche Empfindungen. Ich habe diesen Roman im englischen Original auf einem Segeltörn nach Ostengland gelesen, nachts in der Kajüte, während die anderen schliefen und im Hafen das Schiff sanft im Wasser gewogen wurde und knarzende Geräusche von sich gab. Schon die Reise des Rechtsanwalts Jonathan Harke nach Transsylvanien - noch so ein schauerliches Wort - zum Schloss des Grafen Dracula verkündet Unheil. Eine Frau schenkt ihm einen Rosenkranz, als sie erfährt, wohin er fahren möchte. Beim Grafen eingetroffen stellt er bald fest, dass Dracula kein Spiegelbild hat und kaum an sich halten kann, wenn er Blut sieht. Von der ersten bis zur letzten Seite schlägt das Herz schneller, an Schlaf ist nicht zu denken und wie Bram Stoker die Genre Schauer-, Abenteuer-, Reise-, Brief- und Liebes-Roman miteinander verschachtelt - unglaublich! Literatur, die in die Träume eindringt und ein für alle Mal bestätigt: Blut ist ein besonderer Saft!"
Michael Köhlmeier: "Die Märchen"
NDR Kultur Redakteur Alexander Solloch meint: "'Es war genau so, sagt der Märchenerzähler, 'na, könnt ihr die Stirn runzeln, bis die Falten euch das Hirn quetschen?' Das hätte er wohl gern, der Michael Köhlmeier, der fabelhafte Geschichtenerfinder aus Vorarlberg. Unsere zerquetschten Hirne will er, damit er auch von ihnen und ihrem traurigen Schicksal erzählen kann. Vielleicht ist in einer Neuauflage seiner Märchensammlung noch ein bisschen Platz dafür. Dieses von Nikolaus Heidelbach übrigens prachtvoll illustrierte Buch versammelt allerdings schon jetzt auf über 800 Seiten das schauderhafteste, was man sich nur denken kann. Michael Köhlmeiers Märchen, immer verschattet, oft ganz düster, erzählen von unseren Urängsten vor Qual und Leid und gewaltsamem Tod, von der Grausamkeit, der Natur, der Geister und unserer eigenen Gattung. Es ist zum Hirnquetschen und also großartig!"
Robert Bloch: "Psycho"
NDR Kultur Redakteurin Anna Hartwich findet: "Der Gruselklassiker schlechthin: Alfred Hitchcocks Film 'Psycho' von 1960. Als das Buch 'Psycho' von Robert Bloch im Jahr davor erschienen war, hatte sich Hitchcock gleich die Filmrechte gesichert.
Nur ein Gesicht, das durch den Spalt blickte, wie eine Maske mitten in der Luft hängend. (…) Die Haut war kreideweiß gepudert, auf den Beckenknochen saßen zwei hektische Rougeflecken. Es war keine Maske. Es war das Gesicht einer verrückten alten Frau. Leseprobe
Das Buch ist auch dann noch aufregend, wenn man den Film kennt. Robert Bloch war ein Fantasy- und Thrillerautor und wäre ohne den berühmten Film heute vergessen. Ein Meisterwerk des kalten Entsetzens, schrieb die New York Times darüber. Der Schauspieler Matthias Brandt hat es 2010 eingelesen. Hören Sie oder lesen Sie es - es ist nichts für schwache Nerven!"
Edgar Allan Poe: "Das verräterische Herz"
NDR Kultur Redakteur Jürgen Deppe meint: "Es war ein Samstagabend vor langer, langer Zeit. Meine Eltern hatten mich nach der großen Samstagabendshow im Fernsehen um viertel vor zehn ins Bett geschickt und bekamen - bilde ich mir zumindest ein - nicht mit, dass ich mit meinem Radio am Bett noch heimlich ein 'Kriminalhörspiel' hörte. Das hätte ich vielleicht auch besser nicht getan! Denn da erzählte ein scheinbar ganz normaler Mann freimütig davon, wie er seinen Nachbarn - der ein kaputtes Auge hatte - genau wegen dieses angsteinflössenden Auges kaltblütig ermordet. Er versteckt die Leiche seines unschuldigen Opfers unterm Dielenboden und fühlt sich pudelwohl. Doch das Herz des Toten schlägt scheinbar weiter - dröhnt in den Ohren des Mörders, laut und immer lauter. Es ist zum Verrücktwerden! Ich konnte damals mit dem Namen Edgar Allan Poe nichts anfangen, der sich 'Das verräterische Herz' schon 1843 ausgedacht hatte. Heute halte ich Poes Werk für einen der grandiosesten Psychoschocker der Literaturgeschichte! Einfach schauerlich!"