Buchcover: dots on paper. Über Philip Glass © TeNeues Verlag
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AUDIO: Fotoband "dots on paper": Porträt des Komponisten Philip Glass (5 Min)

Fotoband "dots on paper": Porträt des Komponisten Philip Glass

Stand: 28.04.2024 16:20 Uhr

Der Amerikaner Philip Glass gilt als wegweisender Komponist der zeitgenössischen Musik. Der Fotograf Andreas Bitesnich hat ihn immer wieder bei der Arbeit begleitet und nun einen bemerkenswerten Bildband vorgelegt.

von Guido Pauling

Schon das Papier ist eine Überraschung: Matt ist es, rauh, von fühlbarer Struktur. Sehr häufig pflegt der Fotograf Andreas Bitesnich eine Hochglanzästhetik, die unterkühlten Neonlicht-Charme ausstrahlt. Gern genommen von Art-Direktoren bei Werbe-Shootings oder in der Aktfotografie, sollen diese staubfreien Bilder besonders edel wirken. Anders in diesem Bildband mit Porträts von einem der berühmtesten Komponisten des 20. und 21. Jahrhunderts. Philip Glass beim Proben, beim Komponieren, beim Zuhören, wenn sich der Dirigent und enge Freund Dennis Russell Davies mit ihm über eine Partitur beugt und Ideen äußert - da werden die Schwarzweiß-Fotografien auch mal grobkörnig, wie aus größerer Entfernung von den hinteren Sitzreihen aufgenommen, ohne Blitz. Dabei arbeitet Bitesnich auch hier mit Spiegelungen, fotografiert das Antlitz des Komponisten, wie es vom aufgeklappten Deckel eines polierten Konzertflügels reflektiert wird. Hochglanz, den die zigtausend Pixel und Bildpunkte der Aufnahme geschickt kaschieren, wie winzigste Tintenkleckse. "dots on paper" - der Titel des Bildbands bezeichnet gleichermaßen die Fotografier- wie die Komponiertechnik.

Perfekt arrangierte Aufnahmen

Das Titelfoto zeigt ein geniales Spiel mit Glas - Philip Glass hält die gerade abgesetzte Brille wie ein Monokel vors Auge und verdeckt dabei mit den Fingern seine rechte Gesichtshälfte. Das Brillenglas markiert den hellsten Punkt der Schwarzweißaufnahme und sitzt - von der Hand senkrecht gehalten - genau im Goldenen Schnitt.

"Das war eigentlich das erste Bild, das ich von Philip Glass gemacht habe", erzählt Bitesnich. "Ich habe alles aufgebaut und er hatte mich gefragt, ob er die Brille aufhaben oder sie runternehmen soll. Dann hat er die Brille kurz abgenommen, und in dem Moment habe ich gesehen, dass sich die Lichtquelle stark darin spiegelt. Da haben wir begonnen, damit herumzuspielen. Diese Idee mit seinem Namen und dem Glas der Brille - das kam sozusagen aus dem Nichts, ganz spontan."

Solche gestellten Aufnahmen, bei denen Bitesnich Licht, Schatten, Hintergrund und Raum bestimmt, sind sein Metier. Ebenso bewundernswert perfekt wie - kalt.

Bitesnichs Farbfotos vermitteln den Eindruck, wirklich dabei zu sein

Interessant wird es auf einmal, wenn der Fotograf Szenen beobachtet, selbst unbemerkt bleibt und plötzlich einen zweifelnden Gesichtsausdruck entdeckt. Ein leises Gespräch in der S-Bahn zwischen dem Künstler und seiner Partnerin gleichsam mit der Kamera belauscht; ihn zum Komponieren in dessen Appartement begleiten darf und den Moment erwischt, in dem sich Glass eine Melodie selbst vorpfeift; die rechte Hand schon erhoben, um die Noten sofort aufzuschreiben, Punkte auf Papier zu notieren.

Hier zeigt uns Bitesnich den Wohnraum als Ganzes, den Komponisten am Klavier neben einem mit Manuskripten und Papieren übersäten Schreibtisch. Dort: nur seine Füße auf dem welligen, dunkelgrünen Teppichboden, der linke Schuh drückt gerade ein Pedal nieder. In solchen Momenten vermeint ein Betrachter zu hören, wie ein neues Musikstück entsteht.

Die Farbfotos vermitteln den Eindruck, wirklich dabei zu sein unter der nackten Glühbirne, die von der stuckverzierten Decke herabhängt und das Durcheinander aus herumliegenden Notenheften, einem Wandteppich, gerahmten Bildchen und ins Regal gestopften CDs und Büchern bescheint.

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Komponieren - ein schwieriges Geschäft

In Schwarzweiß dagegen, reduziert aufs Wesentliche, verrät Bitesnich, wie der Musiker mit seinem Material ringt: Das Notenskript ist aufgeschlagen, es bedeckt fast die Hälfte des Bildes. Verdeckt den dahinter hockenden Menschen; nur ein grauer Haarschopf ist noch sichtbar und eine weiße Hand, die durch die Haare rauft. Komponieren - ein schwieriges Geschäft.

"An einem bestimmten Punkt habe ich entdeckt, dass ich eine eigene Stimme gefunden hatte", sagt Glass. "Das scheint so wichtig zu sein. Aber darum geht’s gar nicht! Worum es wirklich geht, ist nicht, eine eigene Stimme zu finden, sondern wie man sie wieder los wird! Erst wenn du anfängst, an diesen Punkt zu kommen, beginnt die Entdeckungsreise für einen Komponisten."

dots on paper

von Andreas H. Bitesnich
Seitenzahl:
96 Seiten
Genre:
Bildband
Verlag:
teNeues
Bestellnummer:
978-3-96171-505-3
Preis:
100 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 28.04.2024 | 16:20 Uhr

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Fotografie

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