Lachen deiht good: Warum Tarnow so populär ist
Lachen tut gut, gerade in diesen Zeiten. Da lohnt ein Wiederhören mit Rudolf Tarnow. Seine Verse gehören zum Witzigsten, was die niederdeutsche Literatur zu bieten hat. Sie sind komische Klassiker.
Der Mecklenburger Rudolf Tarnow (geboren 1867 in Parchim, gestorben 1933 in Schwerin) zählt noch immer zu den populärsten plattdeutschen Autoren in Norddeutschland. Entwaffnender Humor, gesunder Menschenverstand, Lebensweisheit und Mutterwitz waren die Zutaten seiner Texte. Auch heute stehen sie hoch in der Gunst des Publikums, denn sie sind zum Vortragen wie geschaffen.
Erzähltalent vom Vater geerbt
Rudolf Tarnow wuchs in der Kleinstadt Parchim als Sohn des Schuhmachermeisters Heinrich Tarnow und seiner Frau Dorothea auf. In einer Zeit ohne "elektrisch Licht un Rundfunk" wurde bei Familie Tarnow abends oft am Stubentisch erzählt: Schwänke, Sagen, Spukgeschichten. "Dat verstünn keiner bäder as uns' Vadder", erinnerte sich der Schriftsteller später. Und von ihm hat er wohl auch das erzählerische Talent geerbt.
Vom Kaufmann zum Soldaten und Dichter
Nach der Schulzeit erlernte Tarnow den Beruf des Kaufmanns. Anschließend arbeitete er in Melsungen und Wittstock, bevor er im Alter von 20 Jahren zum Wehrdienst einberufen wurde. Nach der Pflichtzeit ging Tarnow zur Leibkompanie des mecklenburgischen Großherzogs in Schwerin und diente später bei den Dragonern in Parchim und Ludwigslust.
Während dieser Zeit heiratete er seine Frau Erna und wurde dreimal Vater. Im Anschluss an seine militärische Laufbahn übernahm Tarnow 1906 die Stelle eines Betriebsinspektors in der Schweriner Nervenheilanstalt.
In den 20er-Jahren macht sich Tarnow als Autor einen Namen
In den folgenden Jahren machte er sich als niederdeutscher Autor einen Namen, vor allem mit den "Burrkäwers", humorvollen Versgedichten in der Tradition des mecklenburgischen Volksschwanks. Weitere Veröffentlichungen sind 1921 das Landschullehrerepos "Köster Klickermann", 1924 das Kinderbuch "Rüter-Püter" und 1927 der Gedichtband "Ringelranken".
Frohsinn statt Groll
Rudolf Tarnow war schon zu Lebzeiten ein überaus populärer Schriewersmann, seine Bücher erreichten in jenen Jahren eine Auflage von mehr als 160.000 Exemplaren. In seinen letzten Lebensjahren musste sich der Autor wegen eines Herzleidens mehreren Heilkuren unterziehen und schrieb immer weniger. Der beliebte Volksdichter wurde nur 66 Jahre alt.
"Mötst di nich argern" - mit diesem Gedicht hat Tarnow vielen Menschen in Norddeutschland ein Lebensmotto geliefert. Vielleicht gerade weil der Dichter, der für seinen Humor geliebt wurde und auch den Tod nicht verschwieg:
"Kort is dien Läben
Un lang büst du dod,
Minsch, blot nich argern,
Ne lachen deiht good!"
Leseprobe
Tarnow hat diese Zeilen ernst genommen und mit seinen Versen die Zeitgenossen und Nachgeborenen zum Lachen gebracht. Das Rezept dafür lautet: "Dor kümmt doch ümmer wat dormang!" Denn irgendwas läuft immer schief in seinen plattdütschen Riemels. Und dann lachen wir, natürlich über die Richtigen.
Dichter der kleinen Leute
Bei Tarnow machen sich zumeist Leute von Stand lächerlich, die Hochnäsigen und Überheblichen. Dem plietschen Verstand der kleinen Leute sind sie einfach nicht gewachsen. Deshalb müssen sie passen, der "oll General von Söbenstiert", die "Exzellenz Herr Hofmarschall", oder der "Herr Supperdent".
Rudolf Tarnow hat aber auch die Welt der Bauern und Tagelöhner beschrieben, der Matrosen und Handwerker. Und natürlich kommt es hier ebenfalls zu komischen Verwicklungen. Aber, so steht’s im Vorwort zum zweiten Band der "Burrkäwers", seine Leser sollen sich einfach nur darüber amüsieren, gemeint sind immer die anderen:
"Ick hew poor Läuschen rünnerschräwen
Un hew dor mienen Spaß mit dräben,
Grad as de Minschen dat verdeint,
Di hew ick aewer nich mit meint,
De annern würd ick blot beschrieben,
Um Di de Tied mit tau verdrieben."
Leseprobe
Meister der Pointe
Tarnow schrieb in der Tradition der mecklenburgischen Läuschen. Das kam an beim Publikum, und deshalb wurden die ersten drei Bände der "Burrkäwers" auch ein so großer Erfolg.
Die sogenannten Kriegsbände vier bis sechs - alle entstanden in den Jahren 1914 bis 1918 - fanden später kaum Beachtung. Sie seien "herzlich unbedeutend", urteilte die niederdeutsche Literaturzeitschrift "Quickborn" über die oft chauvinistischen Texte.
Rudolf Tarnow ist mit seinen augenzwinkernden und lebensklugen Gedichten, mit seinen ebenso deftigen wie komischen Riemels in Erinnerung geblieben. Das liegt vor allem an ihrer kunstfertigen Komposition: Wir wissen, dass irgendwann die Pointe kommt. Aber Tarnow zögert sie geschickt hinaus, nimmt komische Umwege. Wir ahnen sogar, wie es ausgehen könnte. Und werden dann doch überrascht. Selbst wenn wir den Knalleffekt schon kennen - beim nächsten Mal ist er genau so schön.