"Das Gramm": Literatur in kleinen Häppchen
Die Feiertage um den Jahreswechsel sind klassische Lesetage. Man nimmt sich vor, den dicken Schinken zu lesen, der schon ewig auf dem Nachttisch liegt. Meistens klappt das nicht. Das Magazin "Das Gramm" bietet eine optimale Lösung: Literatur in Kurzform.
Das Literaturmagazin "Das Gramm" ist so klein, wie der Name vermuten lässt: In einem handlichen Din A5-Format erscheint es alle zwei Monate. Und auch der Inhalt ist leicht verdaulich: In jedem Heft gibt es nur eine Geschichte, die deswegen nicht unbedingt leichte Kost sein muss - dafür gut abgewogen, grammweise und in Häppchen, wenn auch nicht die Frischetheke hinter der Namensgebung steckt: "Das ist dadurch entstanden, dass das griechische Wort Gramma für "Geschriebenes" steht. Man findet das in Autogramm zum Beispiel - oder Biogramm. Da fand ich das eine schöne Überschneidung mit der kleinen Einheit, die das Heft darstellt", erzählt Herausgeber Patrick Sielemann.
"Das Gramm": Mit Kurzgeschichten Menschen zum Lesen bringen
Sielemann will es Leserinnen und Lesern damit bewusst leicht machen: "Die Idee ist entstanden, weil ich mich gefragt habe, wie man Menschen zum Lesen bringen kann. Ich denke, eine große Stärke von Kurzgeschichten ist ganz einfach die Kürze. Das wird teilweise verspielt, wenn man mehrere Erzählungen oder Kurzgeschichten in einen Erzählband packt. Dann hat man wieder so ein 300-Seiten-Buch auf dem Nachttisch liegen. Wenn man wie bei "Das Gramm" nur eine Geschichte pro Ausgabe hat, dann hat man die auch schneller gelesen und dementsprechend das schöne Leseerlebnis."
Von Illustratorinnen und Illustratoren gestaltet
Die Hefte sind kleine Schmuckstücke. Verschiedene Illustratoren gestalten jeweils die Titelbilder jeder Ausgabe. Eine kleine Randnotiz weist auf Inhalt und Gewicht hin: "20 Gramm wichtige Entscheidungen" heißt es beispielsweise auf der nächsten Ausgabe, der Nummer 13, die im Januar erscheint. "Gehen oder bleiben" ist der Titel der Kurzgeschichte von Judith Poznan und Clint Lukas.
"Ich sitze draußen vor dem Restaurant Datscha am Rosenthaler Platz und treffe gleich einen Mann."
"Ich treffe eine Schriftstellerkollegin, habe ich zu meinen Eltern gesagt."
Zitat aus "Das Gramm"
Auf der Webseite von "Das Gramm" lesen die Autorinnen und Autoren jeweils den ersten Satz ihrer Geschichte selbst. Bei zwei AutorInnen sind es natürlich zwei Sätze, wie die oben zitierten von Poznan und Lukas.
Plattform für Newcomer
Herausgeber von "Das Gramm", Patrick Sielemann, ist hauptberuflich Lektor beim Verlag Kein & Aber, hat also naturgemäß viele Kontakte zu Autorinnen und Autoren. "Das Gramm" bietet aber auch eine Plattform für Neulinge im Literaturgeschäft, sagt Sielemann: "Das möchte ich gerne beibehalten, dass es einerseits Autorinnen und Autoren sind, die einen gewissen Namen haben. Aber das ist mir auch sehr, sehr wichtig: Ich möchte auch, dass dieses Magazin ein Forum ist für Autorinnen und Autoren, die noch nicht verlegt sind, die das auch als Bühne nutzen können, um ihre Texte zu präsentieren."
Einer von ihnen ist Akin Sipal, der mit seiner Geschichte "Rote Asche" im November vergangenen Jahres in "Das Gramm" erstmals veröffentlicht wurde. Sipal stellt den ersten Satz seiner Geschichte den potentiellen LeserInnen von "Das Gramm" ebenfalls persönlich vor:
"Von der Terrasse meiner Eltern aus schaue ich auf die Äste der alten Pappel, über den weitestgehend stillgelegten Bahndamm, direkt auf die Tennishalle mit dem spitz zulaufenden Dach, kalkweiß erhebt sie sich aus dem Stadtgarten." Zitat aus "Das Gramm"
Literatur in kleinen Häppchen
Seit zwei Jahren gibt es "Das Gramm" nun schon und Patrick Sielemann ist sehr zufrieden mit seinem Projekt. Literatur in kleinen Häppchen zu servieren, die Idee, die hinter "Das Gramm" steckt, geht auf: "Ich bin total überwältigt. Als ich das gestartet habe, dachte ich: Na ja, wenn sich ein paar hundert Leute dazu entschließen, dann kann ich glücklich sein. Dass dann doch so ein großes Interesse daran besteht, hätte ich gar nicht gedacht und ich freue mich sehr darüber. Das zeigt auch, dass dieses Segment Kurzgeschichte wahrscheinlich beliebter ist, als man meint."
Auf der Webseite kann man ein Abo abschließen oder einzelne Ausgaben bestellen, um damit vielleicht einem der angenehmeren Neujahrsvorsätze gerecht werden: nämlich endlich wieder mehr zu lesen! In diesem Fall getreu des Mottos: Weniger ist mehr!