Bruno Ganz und Co.: Michael Krüger über Zeit mit Freunden
Über Jahrzehnte hat Michael Krüger den Hanser Verlag geleitet. Außerdem war er auch immer Autor und pflegte viele Freundschaften, zu Alfred Brendel oder Bruno Ganz. Verbindungen, die manchmal auch intensiver hätten sein dürfen.
Er ist Schriftsteller, schreibt atemberaubende Gedichte oder kuriose Romane, ist Essayist, Übersetzer, hat Jahrzehnte lang, bis 2013, den Münchner Hanser Verlag geleitet: Michael Krüger. Neben seinen zahlreichen Ämtern, Aufgaben, Herausgeberschaften und Jurytätigkeiten im Literatur- und Kulturbetrieb, hat er es immer auch geschafft, selbst als Autor und Kritiker hervorzutreten. Gerade in den letzten Jahren war Michael Krüger alles andere als untätig, im Gegenteil. Nach wie vor meldet er sich zu Wort und schreibt. Zuletzt erschienen sein autobiografisches Büchlein "Das Strandbad" oder die Erzählung "Was in den zwei Wochen nach der Rückkehr aus Paris geschah".
Über Literatur, über Gedichte, über Kunst, über ein Leben in der Natur und in der Stadt spricht Michael Krüger in "NDR Kultur à la carte".
Ich bin bei meinen Vorbereitungen auf dieses Gespräch mit Ihnen, auf ein Gedicht gestoßen "Im Park der Musik", dass Sie von Herzen, wie es heißt, Alfred Brendel gewidmet haben. Da heißt es in den letzten fünf Zeilen: "In der hintersten Ecke des Parks, wo gegen die ehernen Statuten der Zeit das Dunkel sich eingenistet hat, wie altes Gras, dreht Schubert das knarrende Rad der Sehnsucht, als gäbe es noch eine Welt, die ihn braucht."
Michael Krüger: Das spielt natürlich auf eine Situation an, die wir nun gerade in den letzten zwei Jahren in der Pandemie erfahren haben. Musik kann eine Art Rettungsanker in solchen harten Situationen sein. Menschen, die sich für Musik interessieren, denen kann im Leben nichts wirklich Furchtbares passieren. Oder sagen wir mal, alles Furchtbare, was ihnen passiert, kann man durch die Melodien der Impromptus von Schubert wieder auffangen.
Jemand, der Sie offenkundig, gut kannte, hat Ihnen eine Karte, mit einem Segantini-Bild geschickt. Bruno Ganz hat sie geschrieben und bedankt sich bei Ihnen für einen Brief, den Sie ihm wohl offenkundig zum 70. Geburtstag geschrieben hatten. "Vergehen" heißt das Bild von Segantini, und Bruno Ganz schreibt: "Es ist blöd, dass man sich nie sieht." Welche Freundschaft verbindet Sie mit Bruno Ganz?
Krüger: Ich kann gar nicht sagen, dass es eine lange und tiefe Freundschaft war. Aber ich war Zeit meines Lebens, solange er gespielt hat und ich ihn gesehen habe, einer seiner größten Bewunderer. Ich habe ihn über Botho Strauß, die Schaubühne und Peter Stein kennengelernt, und dann sah man sich gelegentlich hier oder dort. Erst als er dann eine Zeit lang in München bei Dorn spielte, habe ich ihn oft getroffen. Er hatte das Problem, dass er keinen Alkohol mehr trinken durfte, und deshalb war es so schwer zu sagen, lass uns doch in ein Gasthaus gehen. Ich habe ihn etwas näher kennengelernt und diese Freundschaft etwas vertiefen können. Aber was er schreibt, gilt natürlich für leider sehr viele, dass ich jetzt als alter Mann plötzlich merke, mit dem hättest du dich doch etwas länger umgeben müssen. Der hat dir doch gutgetan. Warum hat man sich so wenig gesehen? So wie man sich fragt, warum fährt man so wenig nach Madrid, um den Prado zu sehen?
Ich weiß nicht, ob das alle so empfinden, aber bei mir ist es so. Ich möchte alles jetzt zugleich im Kopf haben, damit ich, wenn es nicht mehr geht, ich nicht mehr laufen, nicht mehr sehen, oder nicht mehr hören kann. Sollte die Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden, dass man das dann alles hat, man in so einen großen Kopf, wie in einer Galerie, alles präsent hat. Dazu gehören natürlich auch etwa 100 Freunde und Freundinnen, mit denen ich mein Leben verbracht habe. Aber wie ich finde, zu wenig verbracht habe.
Das Gespräch führte Claudia Christophersen.