Bildband über Bücher und Lesende in der Malerei
Selten hatten wir so viel Zeit zum Lesen. Manch einer hat in diesen Tagen endlich die Bücher gelesen, die er schon lange auf dem Zettel hatte - hat es sich auf dem Sofa bequem gemacht, vielleicht auch eine Bank in der Sonne im Park gefunden. Viele Künstler haben Menschen und ihre Bücher gemalt, in den verschiedensten Situationen: Das zeigen Jamie Camplin und Maria Renauro in ihrem bildschönen Buch "Von Büchern in Bildern".
Charles Baudelaire rauchte Pfeife beim Lesen - eine kleine Rauchwolke hat der Maler Gustave Courbet vor dunklem Hintergrund angedeutet. 1848 ist das Porträt des damals 27-Jährigen entstanden: Konzentriert blickt der Dichter in das dicke, offenbar alte Buch, die Ecken des dunkelbraunen Deckels wölben sich schon leicht nach außen. Die ersten der Gedichte, mit denen er später berühmt werden sollte, hatte Baudelaire da bereits geschrieben.
Lesen zur Besinnung und als Mittel der Bildung
1857 erschien "Les fleurs du Mal", "Die Blumen des Bösen", eine Sammlung von 100 Gedichten. Ob Périe Bartholomé sie gelesen hat? Ihr Mann, der Maler Albert Bartholomé, zeigt sie auf einem 1883 entstandenen Gemälde auf dem Sofa liegend. Ein pastellfarben gemustertes Kissen stützt den Nacken, die schmalen Hände stecken in mit Spitze gesäumten, schwarzen, fingerlosen Handschuhen. Dem Lesen in häuslicher Atmosphäre widmet das Buch ein ganzes Kapitel, es hat eine lange Tradition:
Dem stets wandlungsfähigen Buch gelang es in den Arbeiten so vieler Künstler, Vergnügen, Freundschaft und Familienbande zu begleiten, aber auch stille Besinnung und Abschottung oder Konflikte an dem Ort, an dem wird leben: unserem Zuhause. So hatte es einen wesentlichen Anteil an der Bildung unseres eigenen Selbstverständnisses. Leseprobe
Lesen zu Hause und in der Natur
Auffallend oft werden lesende Frauen porträtiert, in meist braver, manchmal auch lasziver Pose. Fast ausnahmslos von Männern. Umso mehr fällt das Selbstporträt von Anna Dorothea Therbusch auf: Es zeigt eine abgeklärte Dame mit Augenglas, das Buch lässig auf dem Schoß, ihr Blick dem Betrachter zugewandt. Therbusch machte eine für ihre Zeit sensationelle Karriere, ging nach Paris, wo sie auch den französischen Philosophen Denis Diderot traf, der ihr sogar nackt Modell stand. Er schrieb in seinem Essay "Über die Frauen":
Während wir in den Büchern lesen, lesen die Frauen im großen Buch der Welt. So befähigt sie gerade ihre Unwissenheit, die Wahrheit ohne Zögern aufzunehmen. Denis Diderot
Lesen im Beruf und als Zeitvertreib
Die lesenden Männer in dem Buch von Jamie Camplin und Maria Renauro sind oft Gottesmänner, Gelehrte oder so genannte "Weise". Der Heilige Hieronymus sitzt in seiner Studierstube, einem karg ausgestatteten Raum. Vermeer zeigt einen Astronomen, der mit Hilfe der Bücher den Himmel studiert. Manet malte 1868 Émile Zola, ein Jahr nachdem dieser mit seinem Roman "Thérèse Raquin" berühmt geworden war.
Lesen ist an keinen Ort gebunden. Auch das zeigen die Künstler auf ihren Bildern. Viele zieht es hinaus in die Natur, so auch Sir Brooke Boothby. Er scheint auf dem Gemälde aus dem Jahr 1781 allerdings eher unter Bäumen zu posieren, als zu lesen. Das Buch ist Accessoire.
Lesen gegen die Langeweile und als Abgrenzung
Anders die Damen im Zugabteil und am Strand, sie lesen hingebungsvoll, und das gilt auch für den Mann mit dem blauen Schal, den Edward Hopper neben vier anderen Personen auf eine sonnenbeschienene Panorama-Terrasse setzt. Ihm gelingt es offenkundig lesend der Langeweile zu entfliehen.
Warum malen Künstler Menschen mit Büchern? Dieses Buch gibt eine Antwort: weil sich so vom Leben erzählen lässt. Dem Betrachter verraten die Bilder außerdem viel über die Zeit, in der sie entstanden sind. "Von Büchern in Bildern" ist eine Fundgrube nicht nur für Büchernarren und -närrinnen.
Von Büchern in Bildern
- Seitenzahl:
- 256 Seiten
- Genre:
- Bildband
- Zusatzinfo:
- 165 Abb., gebunden, 17,00 x 24,00 cm - mit Texten von Jamie Camplin und Maria Renauro
- Verlag:
- Hatje Cantz
- Bestellnummer:
- 978-3-7757-4595-6
- Preis:
- 32,00 €