Ein Mann verlässt den Kunstkaten in Ahrenshoop. © NDR Foto: Screenshot
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AUDIO: Das literarische Erbe der DDR (44 Min)

35 Jahre Mauerfall: Welches literarische Erbe bleibt?

Stand: 08.11.2024 17:13 Uhr

Vor 35 Jahren fiel die Mauer. Was ist vom literarischen Erbe der DDR geblieben? Was ist heute noch lesbar? Was sind die wichtigsten Texte aus DDR-Zeiten? Welche Romane sind heute noch relevant? Eine Spurensuche.

von Anke Jahns

Wenn man nach dem literarischen Erbe der DDR fragt, fallen vielen Menschen sofort die Romane von Christa Wolf ein. Die Schriftstellerin hat offenbar im kollektiven Gedächtnis die größten Spuren hinterlassen. Gleich nach Wolf kommen noch zwei andere Autorinnen, so die einhellige Meinung bei den Besucherinnen und Besuchern der gerade zu Ende gegangenen Schweriner Literaturtagen.

Zum einen ist es Maxie Wander mit "Guten Morgen, du Schöne". Ein Buch, von dem auch die Schriftstellerin und Bachmannpreisträgerin Helga Schubert schwärmt. Die dokumentarische Literatur der DDR sei stark gewesen, sagt sie. Maxie Wander hatte für "Guten Morgen, du Schöne" Mitte der 1970er-Jahre Interviews mit Frauen geführt. 19 von ihnen kommen in ihrem Buch ausführlich über Liebe , Politik und Selbstverwirklichung zu Wort.

Einflussreich: Maxie Wander und Brigitte Reimann

Das Buch kam auch in der Bundesrepublik gut an, wie eine Frau erzählte: "Ich komme aus dem Westen, als Jugendliche habe ich Maxie Wander gelesen und Brigitte Reimann. Das waren total wichtige Bücher, was den Feminismus betraft, das musste man lesen und man hat auch darüber gesprochen."  

Von Brigitte Reimann, sagen die Bücherfreunde, wird ganz sicher "Franziska Linkerhand" bleiben, eine junge Architektin voller Ideale , die in Hoyerswerda mit dem real existierenden Sozialismus konfrontiert wird. "Das halte ich für so ein Buch, das auch in hundert Jahren noch gelesen wird", so eine Einschätzung.

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Prägend: Ulrich Plenzdorf und Stefan Heym 

Ein Einzelner gerät in Widerspruch zum Staat , worauf hin er als Mensch ausgegrenzt wird. Diese Erfahrung macht viele Bücher relevant, die von Auoren geschrieben wurden, die in der DDR sozialisiert wurden, zum Beispiel Ulrich Plenzdorfs "Die neuen Leiden des jungen W." - der Roman hat viele erschüttert.   

Immer wieder fällt ein Name: Stefan Heym - mit Romanen wie "Die Architekten" oder "Fünf Tage im Juni". Auch der Rostocker Schriftsteller Gregor Sander sagt, ihn habe Stefan Heym geprägt: "Für mich war, als ich so 20 Jahre alt war und heimlich davon träumte, Schriftsteller zu werden, das Heyms Autobiographie "Nachruf" sehr wichtig. Die Geschichte eines jüdischen Deutschen, der vor den Nazis nach Amerika flieht und dann als US-Offizier zurückkam und in Ostdeutschland blieb.

Viele Romane waren heimliche "Bückware"  

Allerdings sind diese Bücher von Heym nur im Westen erschienen, gehören natürlich zum Kanon der DDR-Literatur genau wie "Flugasche" von Monika Maron oder natürlich auch Uwe Johnson, den in der DDR kaum jemand kannte, obwohl er über sie schrieb - wer bleibt außerdem? Genannt wurden Wolfgang Hilbig, Stephan Hermlin, Erwin Strittmatter, Christoph Hein, Günter de Bruyn, Erich Loest, Jurek Becker - sie schrieben Bücher, die man "unterm Tisch" gekauft hat.   

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Hermann Kants Werke waren keine Bückware in der DDR. Haben Romane des Funktionärs wie "Die Aula" noch heute Bestand? Die meisten Gesprächspartner bei den Schweriner Literaturtagen finden das schon - auch wenn man die Person nicht außer Acht lassen solle.  

Wichtig: Zwischen den Zeilen lesen 

Entscheidend für das, was bleibt, ist, wie authentisch die Bücher über das Leben in der DDR Auskunft geben. "Um die heutige Geschichte zu verstehen, ist es auch wichtig, sich mit dem zu beschäftigen, was vor dem Mauerfall war - auch mit der Literatur, die es gegeben hat in der DDR", sagte eine Besucherin. Ein anderer Besucher brachte es auf den Punkt: "Wenn Sie die Kunst des 'Zwischen den Zeilen Lesens' beherrschen, dann können Sie sehr viel damit anfangen."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Kunstkaten - Kultur aus MV | 10.11.2024 | 19:05 Uhr

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Romane

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