Lehrer Kai Schmidt hält eine Videokamera in der Hand. © picture alliance/dpa/www.lehrerschmidt.de

YouTube-Star Lehrerschmidt: Wenn Schüler*innen nicht mehr weiterkommen

Stand: 29.04.2024 18:38 Uhr

Wie multipliziert man nochmal Brüche? Oder wie war das nochmal mit der Kurvendiskussion? Wenn Schülerinnen und Schüler nicht mehr weiterkommen, dann kommt YouTube-Lehrer Kai Schmidt ins Spiel.

Kai Schmidt ist Lehrer, Schulleiter der Oberschule in Uelsen in Niedersachsen, vor allem aber als "Lehrerschmidt" ein YouTube-Star: 1.500 Videos gibt es von ihm auf seinem Kanal, 1,8 Millionen Follower hat er dort. Viele Schülerinnen und Schüler schauen sich unter anderem an, wenn er erklärt, wie man Brüche multipliziert, weil sie wie das mit dem größten gemeinsamen Teiler nicht mehr wissen. Auch Eltern nehmen das gerne als Hilfe.

Herr Schmidt, meine zwei Töchter, sechste und zehnte Klasse, waren sehr erfreut, als ich gesagt habe, dass ich mit Ihnen sprechen werde. Dass Sie ein Star sind, ist Ihnen schon bewusst, oder?

Kai Schmidt: Ich glaube, in einem ganz kleinen Bereich habe ich einen gewissen Bekanntheitsgrad. Das ist aber nicht wichtig. Viel wichtiger ist, dass ich manchmal den Eindruck habe, dass meine Videos eine kleine Hilfe sein können.

Eine Hilfe vor allem auch für Eltern, die nicht genau wissen, wie man KGV und GGT noch mal erklärt?

Schmidt: Ja, ganz sicher. Aus meiner Sicht ist der große Vorteil der Videos, dass man sich zusammen mit seinem Kind davor setzen kann, sich das Video anschauen kann, vielleicht zusammen etwas lernt und sich danach gut fühlt. Man hat nicht diese stressige Mama-Papa-Kind-Situation, wenn es zu Hause mal nicht läuft. Und wenn das Video nicht funktioniert, dann kann man gemeinsam über diese Person im Video schimpfen, bleibt aber im Team Familie. Ich glaube, das spart viel Stress.

Sie haben große Vorteile bei den Videos: Sie können aufnehmen, wann immer Sie möchten, Sie können schneiden, vielleicht auch etwas noch einmal erklären. Der größte Vorteil, glaube ich, ist, dass es keine Klasse gibt. Ist der Schüler, die Schülerin der "Störfaktor" für den Lehrer?

Schmidt: Nein, das glaube ich nicht. Aber ich glaube, es ist die Motivation - ob sie jetzt extrinsisch oder intrinsisch ist. Wenn die Videos angeschaut werden, dann ist es ja so, dass die Kinder und Jugendlichen mit einer gewissen Motivation kommen: weil sie gern was lernen möchten oder weil sie es für eine Arbeit brauchen. Dann sitzen sie da und sind bereit zu lernen und sich zu konzentrieren. Ich glaube schon, dass das den Unterschied macht. Es ist auch kein Geheimnis, dass viele Schülerinnen und Schüler lieber in einer Einzelsituation lernen wollen.

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Ich weiß gar nicht, ob Sie es besser erklären können als die jeweilige Lehrerin oder der Lehrer. Aber vermutlich ist es wirklich das Geheimnis, dass überhaupt etwas erklärt wird im Unterricht, oder?

Schmidt: Tatsächlich bin ich mir ganz sicher, dass ich weder besser noch schlechter erkläre als meine Hunderttausenden Mathematik-Kollegen und -Kolleginnen - die Illusion habe ich nicht. Ich glaube, dass der Unterschied die Möglichkeit ist, es aufzurufen, wann man möchte. Das Video ist nicht dienstags in der zweiten Stunde, sondern dann, wann der Schüler oder die Schülerin dazu bereit ist, und dann ist es parat. Der weitere Vorteile ist, dass so ein Video nie genervt ist, es gibt nie irgendein Problem, es kann so oft wiederholt, gestoppt, vor- und zurückgespult werden, wie man will. Ich glaube, dass man diesen technischen Faktor nutzen muss, und alle können daran gewinnen.

Haben Sie Ihre Ansprache im Vergleich zum Klassenzimmer verändert, weil Sie wussten, dass Sie jetzt im Internet sind?

Schmidt: Nein, genau so, wie ich in den Videos bin, bin ich auch im Unterricht. Manchmal erschreckt es mich, dass ich vor den Schülerinnen und Schülern sogar den identischen Wortlaut mit der identischen Aufgabe habe. Nein, das ist echt, so bin ich.

Sie geben auch teilweise Lebenshilfe und haben eine große Zuneigung zu den Schülerinnen und Schülern, wenn Sie zum Beispiel darauf hinweisen, das Fahrradlicht anzumachen. Der Lehrerberuf umfasst mehr, als zu erklären, wie man schriftlich dividiert, oder?

Schmidt: Das will ich hoffen. Ich sage immer: Mein Beruf ist auch Berufung. Ich glaube, das gerade diese Beziehungsebene einen ganz wesentlichen Faktor ausmacht beim Lernen. Das Eine ist die Sachebene: Ich muss natürlich wissen, was ich erkläre und wie es funktioniert. Aber ich muss auch der Typ Mensch sein, der auf junge Menschen zugehen kann. Man muss auch eine gewisse Resilienz haben und sagen: Okay, heute wird das nix mehr, aber morgen packen wir es neu an, und Morgen lernen wir es dann. Diesen allgemeinen Zuspruch muss man haben.

Jetzt sind sie YouTube-Star mit Millionen Followern. Wie ist das so, wenn Sie inzwischen tagtäglich mit ihrem dicken Luxusschlitten auf den Lehrerparkplatz fahren?

Schmidt: Nein, so ist das nicht. Ich bin ein ganz normaler Lehrer, der mit sehr viel Freude jeden Tag in der Schule sitzt. Das ist überhaupt nicht so, wie man sich das vorstellt. Das ist passiert, das war nie geplant. Ich freue mich, dass ich anderen Menschen helfen kann, aber ich bin durch und durch Lehrer und jeden Tag in der Schule, so wie sich das gehört und so, wie ich das möchte.

Ich möchte trotzdem sagen, dass Sie ein wirklich sehr guter Lehrer sind, den ich auch gern gehabt hätte.

Schmidt: Das müssen jedes Jahr die Schülerinnen und Schüler neu entscheiden. Aber ich freue mich natürlich immer, wenn es Lob gibt. Das wäre gelogen, wenn es nicht so wäre.

Das Interview führte Philipp Schmid.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 29.04.2024 | 08:10 Uhr

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