Wie beeinflussen Kunst-Influencer die Kunstszene?
Benötigen Künstler*innen heutzutage viele Follower*innen, um erfolgreich zu sein? Was können Kunst-Influencer in diesem Zusammenhang leisten? Die Kunsthistorikerin Anika Meier ist Expertin für Kunst im Netz.
Frau Meier, wie wichtig ist es für Museen und andere Ausstellungsorte, Menschen zu beauftragen, um Publizität für ihre Ausstellungen zu schaffen?
Anika Meier: Museen ziehen klassischerweise eher älteres Publikum an, Bildungsbürger. Und da sind Influencer wichtig, um eine jüngere Personengruppe zu erreichen. Das Kunstmuseum in Basel beispielsweise arbeitet regelmäßig mit Influencern zusammen und lädt sie gezielt ein. Diese treffen da die Kuratoren und Restauratoren und kriegen einen tieferen Einblick in den Museumsalltag und in Ausstellungen. Sie bekommen sehr viele Informationen und ein gutes Programm geliefert und berichten im Anschluss oder während der Reise auf den Social-Media-Kanälen darüber.
Natürlich ist Vermittlung und Bildung auch ein Auftrag von Museen, und das kann man nicht nur vor Ort machen, sondern auch über die sozialen Medien. Wenn ein Influencer auf seinem YouTube-Kanal darüber berichtet, dann ist das auch Bildung und Vermittlung. Das muss nicht unbedingt zu Museumsbesuchen führen, sondern kann dazu führen, dass mehr Personen auf das Museum aufmerksam werden und das Museum vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt auf einer Reise besuchen.
Kunst ist gar nicht so leicht zu fotografieren, wenn man farbecht vorgehen, wenn das wirklich sichtbar werden soll. Hat das einen Einfluss, dass bestimmte Werke gut Instagram-able oder TikTok-able sind und andere nicht?
Meier: Da kommt erst einmal auch noch das Rechte-Problem dazu. Influencer gehen ja nicht ins Museum und fotografieren da eins zu eins Werke ab, sondern wählen Ausstellungen aus, die für sie interessant sind. Zum einen muss es fotogen sein, also am besten installativ, große Werke, farbenfroh. Natürlich sind auch Namen, die bekannt sind gut. Außerdem ist es auch wichtig, dass man darüber gut erzählen kann und es eine interessante Geschichte gibt.
Kommen bildenden Künstlerinnen und Künstlern heute ohne eine Gefolgschaft auf einer oder mehreren Plattformen aus? Kann man noch aus seinem Kämmerlein, über Kontakte zu Kuratoren als bildende Künstlerin erfolgreich werden?
Meier: Es gibt ja zum einen ganz traditionell das Modell, dass man als Künstler mit einer Galerie zusammenarbeitet, dann übernimmt diese Aufgabe im Wesentlichen die Galerie. Dann spricht der Galerist oder das Team der Galerie mit Sammlerinnen und Sammlern, hat die Kontakte zu Kuratorinnen und Kuratoren und so weiter. Und dann gibt es Künstler und Künstlerinnen, die durch die sozialen Medien bekannt geworden sind, die eine sehr große Reichweite in sozialen Medien haben. Da ist die Reichweite das Eine - aber man braucht auch Hilfe bei der Umsetzung. Von daher gibt es mittlerweile zwei Modelle. Und dann kommt es auch auf das Ziel jedes einzelnen Künstlers an: Will man ganz klassisch Karriere als Künstler machen und irgendwann in Museumssammlungen sein? Da ist es natürlich sehr hilfreich, mit einer Galerie zusammenzuarbeiten. Aber wenn das Ziel ist, neue Wege zu gehen, dann ist das nicht zwingend notwendig.
Haben die Galerien ein Interesse daran, Menschen auszustellen, die sehr viele Followerinnen und Follower haben?
Meier: Katharina Grosse oder Alicja Kwade, sehr bekannte Künstlerinnen, haben auch sehr viel Reichweite in sozialen Medien. Ich glaube, das liegt gar nicht so sehr daran, dass diese Künstler und Künstlerinnen eine große Reichweite haben. Das ist ja generell heutzutage so: Wer ein bisschen bekannter ist - etwa Damien Hirst, Erwin Wurm oder auch Galeristen wie Johann König - der hat auch eine große Reichweite. Womit wir wieder beim Thema wären: Wie definiert man den Begriff Influencer? Ist ein Galerist oder ein Künstler wie Damien Hirst auch ein Influencer? Ich glaube, die Reichweite ist nicht das Attraktivste, sondern dass es Menschen gibt, die Kunst machen, und es wiederum Interesse gibt von anderen Menschen, diese Kunst zu sehen, zu besitzen und mit diesen Künstler*innen zu interagieren.
Wenn die klassischen Filter ausgestellt werden, also Kunstmagazine und Galerien, sondern Menschen über eine Plattform Reichweite generieren, dann könnten sich auch andere Formen von Kunst entwickeln, die bisher gar nicht so einen großen Erfolg gehabt haben, oder?
Meier: Natürlich. Da gibt es sehr viele verschiedene Möglichkeiten, Kunst zu machen. Aber das gab es ja schon immer, auch in der traditionellen Kunstwelt. Es gibt Kunst, die sehr gut auf dem Markt funktioniert, und wiederum andere Kunst, die für Institutionen oder Biennalen gemacht wurde. Dann fangen Künstler und Künstlerinnen vielleicht an, Tiere zu malen, und dann findet sich eben dafür eine Zielgruppe.
Aber Sie meinen, das wird jetzt nicht angeheizt, richtig?
Meier: Dass es Kunst für den Markt gab und Kunst für Institutionen, das war schon immer so. Darüber hat auch der Kunstkritiker und Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich in der Vergangenheit sehr viel publiziert, dass es zum einen den institutionellen Bereich gibt und zum anderen den Markt. Und dass es zum Teil eine Schnittmenge gibt, aber nicht immer eine geben muss. Als dritte Größe kommen vielleicht noch die sozialen Medien dazu, und dann gibt es da wiederum auch eine Schnittmenge, vielleicht mit Museen und dem traditionellen Kunstmarkt, dass die auch auf traditionelle Messen gehen - und dafür braucht man wiederum eine Galerie. Dann kommt es jeweils auf den einzelner Künstler an, wie er oder sie sich den Karriereweg vorstellt.
In den letzten Jahren ist viel über die Möglichkeit von Verkäufen, über die sogenannten Non Fungible Tokens, über Kryptowährungen diskutiert worden, was bedeutet, dass man auch digitale Kunst eindeutig machen kann. Das ist jetzt wieder ein bisschen aus der Mode geraten. Wie wie sehen Sie die Entwicklung? Wo könnte es hingehen, was das Vertreiben von Kunst über digitale Kanäle angeht?
Meier: Man liest und hört immer wieder, dass NFTs tot seinen, also digitale Kunst, die über ein Zertifikat auf der Blockchain den Besitz kennzeichnet. Das kann ich nicht bestätigen. Wir haben vor drei Wochen für knapp eine Million US-Dollar ein NFT von Herbert W. Franke, dem Pionier der frühen Computerkunst, verkauft. In diesem Bereich der digitalen Kunst funktioniert das nach wie vor sehr gut.
Das Interview führte Mischa Kreiskott.