NFT-Hype vorbei: Viele Kunstwerke nichts mehr wert?
Sie galten als Revolution in der Kunstszene, doch laut einer aktuellen Studie sollen sogenannte NFTs, Non Fungible Token, massiv an Wert verloren haben. Ein Gespräch mit Anika Meier, einer Expertin für NFT-Kunst.
Viele Menschen legen ihr Geld im Internet an. Digitale Vermögenswerte können so etwas sein wie Kryptowährungen, zum Beispiel Bitcoin und Co. Es gibt aber auch digitalisierte Formen von Kunst, die man zwar nicht anfassen, aber trotzdem besitzen kann. Das ist für manche auch aus Anlegersicht spannend. Damit der Wert dieser Kunst auch abgesichert ist, gibt es so etwas wie ein Echtheitszertifikat.
Frau Meier, was genau verbirgt sich hinter diesem komplexen Thema?
Anika Meier: Man kann das grob herunterbrechen und sagen: NFTs sind digitale Echtheitszertifikate, und man kann auf der Blockchain einsehen, ob es zum Beispiel das Kunstwerk als Edition von zehn gibt oder ob es ein Unikat ist und wer der Künstler ist. Und wenn es verkauft worden ist, in welcher Wallet - so heißt das, worin NFTs gehalten werden. Das ist alles transparent auf der Blockchain einsehbar. Interessant ist, dass Künstler und Künstlerinnen mittlerweile dazu übergegangen sind, NFTs, also die digitalen Kunstwerke, auch mit physischen Kunstwerken zu kombinieren.
Das heißt also, ich kann mir ein Kunstwerk kaufen, und das können sich auch alle angucken, weil es ja im Internet steht. Aber dieses Zertifikat sichert mir zu, dass es meins ist, dass ich es gekauft habe - oder den Anteil an diesem Kunstwerk. Was heißt es, wenn ich ein Künstler bin, der ein echtes Bild gemalt hat? Sie sagen, die gehen damit ins Internet. Was bedeutet das konkret?
Meier: Ein NFT kann ja alles sein - das muss nicht unbedingt digitale Kunst sein. Es gab gerade eine neue Studie, die besagt, dass NFTs eigentlich alle wertlos sind - so hat es das "Rolling Stone"-Magazin zumindest übersetzt. Da gab es einen großen Aufschrei in der Kunst-Community, weil das natürlich nicht stimmt. Mit einem NFT kann tatsächlich alles verbunden werden. Im Wesentlichen geht es in dem Bereich, in dem ich tätig bin, um digitale Kunst. Also nicht um Malerei, die fotografiert wird und mit einem digitalen Echtheitszertifikat versehen wird. Das kann natürlich auch gemacht werden, aber im Wesentlichen sprechen wir über eine Geschichte der digitalen Kunst, die in den 50er-Jahren begonnen hat. Da haben Künstler wie Herbert W. Franke, Pionier der frühen Computerkunst, angefangen, Technologie einzusetzen, um Kunst zu machen.
Wie können wir uns den digitalen Kunstmarkt vorstellen? Was wird da gehandelt?
Meier: Im Grunde wie den traditionellen Kunstmarkt. Es gibt Ausstellungen, es gibt Online-Plattformen, auf denen NFTs verkauft werden. Auf dem traditionellen Kunstmarkt sind das meist Malerei und Skulptur, und im Digitalen sind es Videoarbeiten, Generative Kunst, also Code, der geschrieben worden ist, JPEGs. Mit der Arbeit von Beeple, die im Jahr 2021 bei Christie's für 69 Millionen US-Dollar versteigert worden ist, ging der Hype und das Gespräch um NFTs in der Öffentlichkeit so richtig los. So groß ist der Unterschied also nicht. Eigentlich ist nicht so viel anders - nur das Medium unterscheidet sich.
Welche Möglichkeiten und Chancen tun sich in diesem digitalen Bereich für Künstler und Künstlerinnen auf?
Meier: Für Künstler und Künstlerinnen ist es einfacher geworden, ihre digitalen Werke zu verkaufen. Vorher wurde das beispielsweise über USB-Sticks gemacht. Da wusste niemand, wie viele Editionen es gibt, ob es ein Unikat ist und so weiter. Das haben NFTs gelöst. Die Chancen für Künstlerinnen und Künstler bestehen darin, dass plötzlich eine viel größere Aufmerksamkeit auf dem Thema ist - weil es einen Markt gibt, auf dem, genauso wie auf dem traditionellen Kunstmarkt, Auktionsrekorde in Millionenhöhe erzielt werden. Da hat sich jetzt leider die Aufmerksamkeit verschoben von den Inhalten hin zu Preisen. Es wird geschaut, ob das alles noch was wert ist oder nicht. Man würde ja auch nicht in eine Ausstellung im Gropius-Bau gehen und erst mal schauen, wie denn der Markt bei dem Künstler ist und ob die Preise eingebrochen sind. Das weiß man ja gar nicht.
Es ist ja überhaupt die Frage: Was macht eigentlich den Wert von Kunst aus? Das ist sicherlich nicht nur über Börsen-Bewegungen zu berechnen.
Meier: Auf dem traditionellen Kunstmarkt sind Galerien und Museen involviert. Das kommt im Digitalen immer stärker, da passiert immer mehr. Ich glaube, die Schwierigkeit ist, dass die Berichterstattung über den traditionellen Kunstmarkt sehr viel in den Medien passiert und man sich auch sehr einfach selbst über Instagram informieren kann: Da folgt man Museen und Galerien oder Künstlern und Künstlerinnen. Aber die Gespräche im NFT-Space passieren hauptsächlich auf Twitter. Wir im NFT-Space haben auch die Aufgabe zu schauen, wie wir das besser in die Öffentlichkeit tragen können.
Das Interview führte Julia Westlake.