Der deutsch-französische Kabarettist und Satiriker Emmanuel Peterfalvi alias Alfons © picture alliance/dpa | Jonas Walzberg Foto: Jonas Walzberg

Alfons zur Wahl in Frankreich: "Es wäre ein Horror für Europa gewesen"

Stand: 08.07.2024 17:20 Uhr

Frankreich hat gewählt. Ein linkes Wahlbündnis hat die meisten Stimmen bekommen, gefolgt vom Mitte-Bündnis von Präsident Macron. Der Rassemblement National kam nur auf Platz drei. Emmanuel Peterfalvi, besser bekannt als Kabarettist Alfons, ist darüber erleichtert.

Emmanuel Peterfalvi spricht von einem Horror-Szenario, das sich in Europa ergeben hätte, wäre der rechtspopulistische Rassemblement National um Marine Le Pen an die Macht gekommen. Trotzdem sei die Situation in Frankreich ernst. Denn nach seiner Meinung sind die Franzosen nicht in der Lage, Koalitionen zu bilden.

Was sagen Sie zu diesem Ergebnis?

Emmanuel Peterfalvi: Lieber Kollege, ich bin so froh, du kannst mich sogar duzen. Das war wirklich eine Zitterpartie. Niemand wusste, was dabei rauskommt. Im Nachhinein sieht es ganz anders aus, aber es gab wirklich ein sehr großes Risiko, dass Frankreich komplett abdriftet, dass Frankreich danach wie Ungarn aussieht. Das wäre für Frankreich schlimm gewesen. Aber auch für Europa wäre es wirklich schlimm gewesen, weil Frankreich ist, so wie Deutschland, ein großes Land in Europa. Das Szenario war ein Horror.

Außer für Putin - der hätte es toll gefunden. Aber für die Zukunft unseres Kontinents wäre es ganz, ganz schlimm gewesen. Ich wache trotzdem mit ernstem Gesicht auf, weil der Rassemblement National jetzt trotzdem sehr viele Abgeordnete im Parlament hat. Er hat sich fast verdoppelt - aber sie sind nicht an der Macht. Das ist so klar, wie wenige gehofft hatten. Insofern ist das grundsätzlich eine sehr gute Nachricht.

Viele sagen, Frankreich sei es nicht gewohnt, Regierungs-Koalitionen zu bilden. Jetzt ist es wieder zwischen links und rechts und Macron irgendwie in der Mitte. Wie wird es da wohl weitergehen?

Peterfalvi: Frankreich ist es nicht nur nicht gewohnt, sondern Frankreich kann keine Koalitionen. Die Deutschen können das sehr gut: sich einsperren und 30 Stunden überlegen, was man machen könnte. Wenn du das mit Franzosen machst, hauen die sich nur auf die Fresse. Zuerst freuen sie sich, weil sie sehen: Es gibt Kaffee und ein Buffet. Das plündern sie. Wenn das zu Ende ist, dann fangen sie an: "ah, stimmt, wir sind da, um über Inhalte zu reden". Dann geht es los: Wir wollen das, die anderen aber auf keinen Fall. Es endet dann wie bei Asterix in einer großen Prügelei.

Das ist nicht nur ein Spruch und nicht nur ein Witz, sondern Realität. Das System in Frankreich, die Fünfte Republik, erlaubt sowas nicht, oder ermöglicht sowas nicht, besser gesagt. Es liegt nicht in der französischen Kultur. Mit anderen Worten: Niemand weiß, wie Frankreich mit diesem Ergebnis regiert wird, weil es so ein Ergebnis noch nie gab. Insofern wird es nicht nur schwierig, sondern absolut niemand weiß, ob und wie das möglich sein wird. Man sieht schon, wie verrückt die Situation ist: Man freut sich riesig, dass die Situation total scheiße ist. Soweit ist Frankreich gekommen.

Du gehst in Schulen, sprichst über Deutschland, Frankreich, die gemeinsame Geschichte, vor allem über Demokratie. Wie ist das bei jungen Leuten? Wir erfahren in Deutschland, dass dort auch viele eher rechts wählen, wie ist es in Frankreich?

Peterfalvi: In Frankreich ist es tatsächlich auch so. Ich gehe sehr oft in Deutschland in die Schulen. Das ist ein Teil meiner Arbeit. Viele denken tatsächlich, "Demokratie ist gar nicht mehr so wichtig, lass uns mal etwas anderes ausprobieren." Sowohl in Deutschland, als auch in Frankreich hört man sowas. Es ist so wichtig, den Jugendlichen erstmal zuzuhören.

Das ist, glaube ich, das größte Problem der Jugendlichen: Die haben das Gefühl, dass man ihnen nicht zuhört. Das ist oft nicht nur ein Gefühl, sondern das ist eine Realität. Die haben was zu sagen, und es ist nicht so, dass sie, weil sie jung sind, keine Ahnung haben, sondern die haben Sorgen, viele Sorgen. Die Rechten sind sehr gut darin, Leute, die Sorgen haben, für sich zu gewinnen, mit absolut keiner Lösung. Aber die Illusion, Lösungen zu bringen, darin sind die sehr gut. Deshalb ist es so wichtig, mit Jugendlichen zu reden.

In Deutschland gibt es auch noch das Wahlrecht ab 16 Jahren. Letztendlich entscheiden wir alten Säcke Dinge, die wir gar nicht erleben werden. Deshalb finde ich, dass die Jugendlichen eine viel größere Rolle spielen müssen und wir müssen ihnen zumindest zuhören, sowohl in Frankreich, als auch in Deutschland. Dann passiert das eben nicht, dass so viele Illusionsparteien wählen, die einfach nur kompletten Blödsinn erzählen. Aber die erzählen das leider gut - und dann auch noch auf TikTok.

Nächste Woche Sonntag ist Nationalfeiertag. Wird Frankreich da auch die Europameisterschaft feiern können?

Peterfalvi: Weißt du was? Die Europameisterschaft ist sowas von scheißegal in Frankreich. Alle Cafés haben ihre Fernseher abgebaut, weil niemand guckt. Ich hätte euch, liebe Deutsche, wirklich den Sieg gegönnt. Wir, Frankreich, können gegen Spanien verlieren oder so... das ist scheißegal. Das Wichtigste war: Front National, Rassemblement National ist nicht an der Macht. Von mir aus können wir noch mal euren Elfmeter gelten lassen. Die EM ist dieses Jahr in Frankreich scheißegal. Das Wichtigste ist: Le Pen geht nach Hause.

Das komplette Interview können Sie oben auf dieser Seite hören. Das Gespräch führte Philipp Schmid.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Das Gespräch | 08.07.2024 | 09:10 Uhr

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