Unverzichtbar, aber immer schwerer zu finden: Ehrenamt in der Kirche
Für die Lebendigkeit der christlichen Kirchen spielt das freiwillige Engagement Ehrenamtlicher eine entscheidende Rolle. Doch wie die Kirchen selbst steckt auch die Ehrenamtsszene im Umbruch: die Erfahrungen und Konsequenzen in Hannover und Hildesheim.
Die Südstadt-Kirchengemeinde in Hannover hat 8.500 Mitglieder. Was würde es bedeuten, wenn von heute auf morgen alle Ehrenamtlichen ihr Engagement einstellen würden? Pastorin Anke Merscher-Schüler reagiert spontan: "Das wäre eine Katastrophe. Es wäre ganz viel Gemeindeleben nicht mehr möglich. Dann gäbe es keinen Basar, keine Jugendarbeit, keine Spielenachmittage. Besuche würden ganz stark runtergefahren. Was in Kirche passiert, lebt von der Gemeinschaft."
Freiwillig Engagierte sind unverzichtbar für Kirchen
Die Bedeutung der Ehrenamtlichen veranschaulichen diese Zahlen: Etwa 2.000 Pastorinnen und Pastoren gibt es in der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und weit mehr als 120.000 Ehrenamtliche. Im Bistum Hildesheim versehen etwa 160 Geistliche den Dienst in 119 Pfarreien. In jeder Pfarrei sind nach Schätzung des Bistums mindestens 100 Ehrenamtliche aktiv. Der Priestermangel ist inzwischen so dramatisch, dass 180 Ehrenamtliche dafür ausgebildet wurden, Beerdigungen zu übernehmen. Die freiwillig Engagierten sind also unverzichtbar. Das Problem: Die Kirchenbindung schwindet, woher kommt der Nachwuchs?
"Wo eine Gemeinschaft ist, die gewachsen ist und die prinzipiell offen ist für Menschen, die sich engagieren wollen, da kommen auch andere nach", meint Merscher-Schüler. Allein 30 jugendliche Teamer gibt es in ihrer Gemeinde - einer ist der 16-jährige Felix Meyer. Gerne begleitet er Konfirmandenfreizeiten. Ihm gefällt aber auch "das Gemeinschaftliche mit den anderen Teamern. Das ist wie ein kleiner Freundeskreis, den man hat, auch mit den jungen Leuten. Viel ist generationsübergreifend. Dass man sich mit vielen Menschen trifft, das Miteinandersein, das ist das Schöne."
Ehrenamtliche auch in Leitungsämtern
Der Jugendliche liegt damit voll im Trend. In der jüngsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung gaben 91 Prozent der Befragten als Hauptmotiv für ihr Engagement an: Gemeinschaft erleben und für andere da sein. Nun werden Ehrenamtliche aber auch für Leitungsämter gebraucht. In der Hannoverschen Landeskirche wurden gerade die Kirchenvorstände neu gewählt. Dabei ist auch ein allgemeiner Trend durchgeschlagen, sagt Susanne Briese, Landespastorin für Ehrenamtliche: "Die Bereitschaft, leitendes Ehrenamt zu übernehmen, ist in den letzten 20 Jahren um circa zehn Prozent gesunken. Das merken wir auch. Die Suche nach Kandidierenden ist eine Herausforderung gewesen - und bei den jungen Menschen ohnehin."
Fortbildungsangebote der Landeskirche
Die Landeskirche bietet Qualifizierungen und Weiterbildungen gerade auch für junge Menschen an, ebenso das Bistum Hildesheim. "Wir wollen junge Menschen gut begleiten und unterstützen. Sie sollen ihren Weg und ihre Kompetenz entdecken", sagt Christian Hennecke, im Bistum unter anderem verantwortlich für kirchliche Transformationsprozesse und Jugendpastoral. Parallel zum schwierigen Generationenwechsel vollzieht sich ein genereller Umbruch im kirchlichen Ehrenamt. Noch sind viele freiwillig Engagierte in den traditionellen Feldern wie Gremienarbeit, Chören oder Gemeindegruppen unterwegs. Die Coronazeit hat aber offenbart, dass es auch andere Bedürfnisse gibt, sagt Briese: "Es gibt zunehmend nachbarschaftliche sozialräumlich orientierte Gruppen. Es gibt kreative Engagements im Bereich Verkündigung. Wir haben so eine vielfältige, komplexe Gesellschaft, dass wir nicht mit den Formaten, die wir in den letzten Jahrzehnten immer wieder angeboten haben, die Menschen von heute in Gänze erreichen können." Eine Herausforderung für jede Kirchengemeinde.