Umstrittene Dokus: Hat sich Regisseur Oliver Stone kaufen lassen?
Oliver Stone hat in den letzten Jahren mit Dokus über Fidel Castro oder Wladimir Putin für Schlagzeilen gesorgt. Eine neue Recherche hat ergeben, dass die Regie-Legende käuflich zu sein scheint.
Der dreifache Oscar-Gewinner Oliver Stone ist einer der erfolgreichsten und auch einer der provokantesten Regisseure Hollywoods. Heikle Polit-Themen waren schon immer seine Leidenschaft und mit vielen seiner Filme hat er für durchaus hitzige Diskussionen gesorgt. In den letzten Jahren hat er mit Dokus über umstrittene Herrscher für Schlagzeilen gesorgt. Warum macht der Mann das? Ein Gespräch mit der NDR Kultur Redakteurin Katja Weise.
Warum verspielt einer der größten US-Regisseure langsam, aber sicher seinen Ruf?
Katja Weise: Er tut es offensichtlich wegen des Geldes. Das heißt, Oliver Stone lässt sich für diese schmeichelhaften Dokumentationen kaufen. Das jedenfalls behauptet ein internationales Rechercheteam, dem unter anderem "Der Spiegel", das ZDF und der österreichische "Standard" angehören. Anstoß zu der Recherche hat ein achtstündiges Porträt ("Qazaq. History of the Golden Man") über den kasachischen Langzeit-Präsidenten Nasarbajew aus dem Jahr 2021 gegeben. Darin interviewt Stone den "Führer der Nation" - so nennt Nasarbajew sich. Man sieht allerdings kein kritisches Gespräch, sondern den Regisseur als eine Art Stichwortgeber des Diktators, dem unter anderem die Folterung von Regimegegnern vorgeworfen wird. Dieser Film wurde von Nasarbajew selbst über Umwege finanziert, insofern kann man sagen: Oliver Stone hat sich kaufen lassen.
Wie kommt es denn jetzt zu den neuen Erkenntnissen?
Weise: Ganz neu scheinen die Erkenntnisse nicht zu sein. In der "Süddeutschen Zeitung" wird heute darauf hingewiesen, dass es vor anderthalb Jahren schon einmal entsprechende Vorwürfe gab, allerdings wurden die damals nicht groß publiziert. Und jetzt hat ein Insider, der anonym bleiben möchte, sich ausführlich geäußert und ist auf Gehör gestoßen. Er beschreibt, wie Stone und sein Partner Igor Lopatonok gearbeitet haben und, so scheint es, ihren kasachischen Auftraggebern weit entgegen gekommen sind. Diese durften demnach Fragen vorformulieren, dann entscheiden, welche Fragen gestellt wurden, und allzu kritische Themen verschwinden lassen. Die Frage zu den Menschenrechtsverletzungen zum Beispiel, die Stone gestellt haben will, ist im fertigen Film nicht mehr enthalten. Das Rechercheteam schreibt dazu: "So entstand, wenig überraschend, ein kritikloses Auftragswerk, ein Propagandafilm statt einer unabhängigen Dokumentation".
Das hört sich nach der berühmten Spitze des Eisbergs, denn die Recherchen haben auch ergeben, dass der Diktator nur einer von mehreren umstrittenen Herrschern war, dem Stone ein Porträt gewidmet hat, oder?
Weise: Ja, das scheint so zu sein. Auch der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko und der türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan hätten ebenfalls Hauptdarsteller einer schillernden "Oliver Stone Documentary" werden können, wenn man sich einig geworden wäre - ist man aber nicht. Aber nun fragt man sich natürlich auch: Wie war das bei den Dokumentationen über Fidel Castro und Hugo Chávez oder bei den Gesprächen mit dem russischen Präsidenten Putin, den Stone zwischen 2015 und 2017 mehr als ein Dutzend Mal getroffen hat? Das, so das Ergebnis der Recherchen, ist zur Zeit noch unklar. Eine Anfrage dazu ließ Oliver Stone unbeantwortet. Die "Süddeutsche Zeitung" kommentiert: Ein Filmemacher, der so etwas macht, wird nicht mehr ernst genommen. Und hat, wenn er käuflich sein sollte, alles verloren, was ihn einst ausmachte.
Das Interview führte Philipp Schmid.