Thomas Hermanns: Comedy, Kitsch und Schlager sind seine Welt
1992 hat er den Quatsch Comedy Club in Hamburg ins Leben gerufen, der auf der Bühne und im Fernsehen große Erfolge feierte. Viele Comedians verdanken Thomas Hermanns ihre Karriere. Am 5. März wurde der Entertainer 60 Jahre alt.
Thomas Hermanns hat viele Talente. Er ist nicht nur der Gründer des Quatsch Comedy Clubs, sondern auch Fernsehmoderator, Drehbuchautor und Regisseur. Dieser Vielseitigkeit liegen viele verschiedene Interessen und Neigungen zugrunde. Das kann man sich genauer vorstellen, wenn man erfährt, dass Hermanns die Fernsehsendung "Muppet Show" als "seinen prägendsten Einfluss" bezeichnet. Durch diese Show führt Kermit, der Frosch als Conférencier. Die Klappmaulpuppe aus der Schmiede von Jim Henson sei sein Vorbild gewesen, ist über den Entertainer im Munzinger-Personen-Archiv zu lesen. Schräge Typen mit schrägem Humor geben sich in der Sendung die Klinke in die Hand, in der Loge sitzen mit Waldorf & Statler zwei Senioren, die die Vorführungen stets in Grund und Boden meckern. Schwierig für einen Moderator wie Kermit. Von einem verliebten Schwein an seiner grünen Seite ganz zu schweigen. Ohne Zweifel: Solche medialen Erfahrungen können dazu führen, dass man selbst ein wandlungsfähiger und wortgewandter Conférencier wird.
In Bochum geboren, in Nürnberg aufgewachsen, in München studiert
Geboren wird Thomas Hermanns am 5. März 1963 in Bochum - mitten im Ruhrgebiet. Er zieht mit seinen Eltern nach Nürnberg, als er sechs Jahre alt ist. Dort wächst er auf. Er ist ein richtiges Radio-Kind und wartet damals regelmäßig auf seine Lieblingstitel - mit dem Finger auf der Taste seines Kassettenrekorders, um sie aufzunehmen. 1981 macht er Abitur, anschließend beginnt er in München ein Studium der Theaterwissenschaften, das er 1988 mit dem Magister-Titel abschließt.
Schon während seines Studiums inszeniert Hermanns erste Bühnenstücke und tritt auch als Tänzer und Darsteller auf. Ab Mitte der 1980er-Jahre führt er Regie bei Modeschauen von bekannten Labels sowie bei Musicals. Auch um eine Karaoke-Show macht sich Hermanns verdient. Dieses Bühnenformat bringt er als Erfahrung nach einem Auslandsjahr in den USA mit. Und auch mit Stand-up-Comedy kommt er damals in Berührung.
1992 startet der Quatsch Comedy Club auf der Bühne
In diesem Genre macht sich der vielseitige Entertainer dann einen großen Namen. 1992 gründet er in Hamburg den Quatsch Comedy Club. Die Stand-up-Idee geht zunächst "ausgerechnet in einem der größten Musentempeln Deutschlands, dem Hamburger Schauspielhaus - wenn auch nur im Souterrain" an den Start, wie Hermanns sagt.
"Unsere erste Show war wirklich sehr naiv. Man könnte es aus heutiger Sicht auch als tolldreist bezeichnen." Thomas Hermanns in "Das große Quatsch Comedy Buch"
Immerhin sind damals unter anderem Wigald Boning (später: RTL Samstag Nacht, Georg Uecker (u.a. Lindenstraße) und Monty Arnold (später: Comedy Factory) dabei. Dem Spaß auf der Bühne stehen ein gewisser Dilletantismus einzelner Beiträge und eine Unstrukturiertheit insgesamt gegenüber. Das ist so gar nicht nach dem Geschmack des damaligen Intendanten Gerd Schlesselmann. Das Konzept mit einem Moderator und ein paar Comedians und "so wenig gehaltvoller Abendunterhaltung" hat keine Zukunft in Schauspielhaus.
"Es tut mir sehr leid, aber eine derartige Darbietung können wir im Deutschen Schauspielhaus nicht verantworten." Intendant Gerd Schlesselmann in einem Brief 1992 an Thomas Hermanns
Die Comedy-Fraktion um Thomas Hermanns wechselt zunächst in den Mojo-Club an der Reeperbahn, wo munter weiterexperimentiert wird. Danach ist das benachbarte Imperial-Theater - ein ehemaliges Porno-Kino - das Zuhause des Quatsch Comedy Clubs. Die Shows bekommen mehr Struktur. Noch heute bekannte und erfolgreiche Comedians wie Olli Dittrich, Michael Mittermeier, Rüdiger Hoffmann, Rainald Grebe und Lutz Rosenberg Lipinsky haben im Quatsch Comedy Club ihre ersten Auftritte.
Im Fernsehen zunächst "undercover", dann "zum Hit"
Ab 1993 zeigt der Bezahlsender Premiere Shows in verschlüsselter Form im Fernsehen. ProSieben und dessen damaliger Unterhaltungschef Oliver Mielke finden Gefallen an dem Format und nehmen die Sendung 1997 ins Programm. Damals ist "von Comedy im deutschen Fernsehen außer der RTL Samstag Nacht (...) noch nicht viel zu sehen", schreibt die "Welt" am 9. Juli 2005 in einer Rückschau. Das ist nicht ganz richtig, denn zum Beispiel Die Wochenshow (ab 1996 bei SAT.1) und auch Kalkofes Mattscheibe (ab 1994 unverschlüsselt bei Premiere, später bei ProSieben und Tele 5) sind damals bereits auf Sendung und feiern beachtliche Erfolge und fahren gute Quoten ein. 1999 kommt Stefan Raabs TV Total auf ProSieben hinzu. Richtig ist auf jeden Fall, dass die Comedy-Landschaft ab Mitte/Ende der 1990er-Jahre einen großen Boom erfährt. Mit "Stand-up-Comedy ist der Rock'n'Roll der Neunziger", manifestieren Hermanns und seine Mitstreiter einen Slogan. Doch nicht überall, wo Comedy draufsteht, sind auch Komik und Humor drin.
Über den Quatsch Comedy Club sagt Hermanns, die Sendung sei aufgrund der späten Sendezeit "am Anfang ein bisschen undercover gelaufen und konnte sich zum Hit entwickeln, ohne den Quotendruck der Primetime". Optisch gesehen habe man "im Studio den idealen Comedy-Club gebaut, den es damals draußen nicht gab".
Live-Bühnen in Berlin und Hamburg
Im November 2002 findet der Quatsch Comedy Club im Keller des Berliner Friedrichstadtpalastes als Livebühne eine neue Heimat, 2006 eröffnet Hermanns eine Hamburger Filiale im Café Keese auf der Reeperbahn - eine Rückkehr an den Gründungsort, zumindest bis Ende 2010. Danach geht es im Musical-Theater Neue Flora weiter, inzwischen direkt an den Hamburger Landungsbrücken auf dem Raddampfer "Queen". In München gibt es einen weiteren Quatsch Comedy Club.
"Comedy ist immer etwas, bei dem Menschen extreme Gefühle haben. Denn Lachen ist ja etwas sehr Persönliches. Comedy ohne Polarisierung geht eigentlich nicht", sagt der Mann "mit dem wahrscheinlich breitesten Grinsen", wie ihn Comedian Michael Mittermeier einmal bezeichnet hat, Ende 2022.
Hermanns gibt nach 30 Jahren Club-Moderation ab
Im Dezember 2022 geht eine Ära zu Ende: Thomas Hermanns gibt nach 30 Jahren die Moderation des Quatsch Comedy Clubs ab. Er wird aber weiter hinter der Bühne aktiv bleiben. Es sei an der Zeit, das Ruder an Jüngere zu übergeben, sagt der Club-Gründer. "Es ist wirklich besser, wenn das jüngere Leute machen, die einen frischen Blick auf die Moderation werfen. Ich habe sie immer so gemacht, wie ich sie mir vorgestellt und mir 1992 zurechtgelegt habe", erklärt er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. Den Jungen rät er zu mehr Mut: "Man sollte immer mit der beklopptesten Idee auf die Bühne gehen und sie einfach ausprobieren, ohne zu kalkulieren, was daraus wird."
"Heute kann man sich nicht vorstellen, dass es je ein Deutschland ohne Stand-up-Comedy gab - aber 1992 bei unserer ersten Show in Hamburg war es noch so. Als Mutter des Ganzen fühle ich mich jetzt schon legendär." Thomas Hermanns anlässlich 30 Jahren Quatsch Comedy Clubs
Die Entwicklung seit 1992 beschreibt der Conférencier so: "Damals haben viele Leute gesagt, Deutschland brauche keine Stand-up-Comedy. Aber aus dieser Schnapsidee ist am Ende eine ganze Industrie erwachsen."
Auch für andere Künstler und in der Musical-Welt aktiv
Hermanns hat auch viele Programme anderer Künstler wie Michael Mittermeier, Kaya Yanar, Gale Tufts oder Cora Frost inszeniert. Außerdem arbeitet er immer wieder fürs Theater und als Moderator für unterschiedliche Veranstaltungen. Er schreibt die Drehbücher für Dirk-Bach Sitcom "Lukas" (1996 bis 2001) und arbeitet an der deutschen Synchronfassung des Comedy-Klassikers "Absolutely Fabulous". 2010 führt er zusammen mit Cloozy Haber durch "Die Thomas & Helga Show" im NDR - eine Mischung aus Comedy, Artistik, Musik, Spiel und Talk.
Darüber hinaus führt Hermanns in der von ihm selbst als "Trashical" bezeichneten Musical-Aufführung "Es fährt ein Zug nach Nirgendwo" (ab 1993), das die "Süddeutsche Zeitung" 1993 ein "infantiles Vergnügen" nennt. Im Herbst 2011 feiert das Musical "Kein Pardon" in Düsseldorf Premiere, für das der Entertainer basierend auf dem gleichnamigen Film von Hape Kerkeling das Buch geschrieben hat. 2015 findet im Münchener Staatstheater unter Hermanns Regie die Uraufführung von "Bussi - Das Musical" über die wilden 1980er-Jahre statt.
Große Freude an Astrologie - Madonna passt nicht zu ihm
Hermans hat außerdem eine große Liebe zur Astrologie entwickelt, die 2021 in einem Buch mündete. In "Astrologie. Verboten gut!" setzt er sich auf unterhaltsame Weise mit Horoskopen und Sternzeichen auseinander. Wo sind Gemeinsamkeiten? Wer sollte sich mit wem treffen und wen besser nicht? Die Pop-Diva Madonna gehört für Hermanns, selbst Sternzeichen Fische, zu den Menschen, denen er besser aus dem Weg geht. In der NDR Talk Show berichtet er 2021 von einer Begegnung mit der prominenten Sängerin auf einer Party. Er habe sie sehr gern kennenlernen wollen, schließlich sei er ein großer Fan von ihr. Aber Madonnas eisiger Blick habe ihm signalisiert: "Don't even think about it" ("Denk nicht mal dran.").
"Ein Treffen mit einer Löwin wie Madonna ist für einen Fisch kein Spaß. Wir werden nie ein Duett zusammen singen." Thomas Hermanns über Astrologie in der NDR Talk Show am 15. Oktober 2021
Seit Langem ein riesengroßer Abba-Fan
Ein Song von Madonna steht in besonderer Beziehung zu einer Band, die Hermanns sehr verehrt: Abba. "Ich bin ein Mega-Fan," sagt der Entertainer. "Hung up" der "Queen of Pop" von 2005 enthält Auszüge von "Gimme, Gimme, Gimme" des Schweden-Quartetts aus dem Jahr 1979. Dieses Privileg haben nicht viele Künstler von Abba erhalten. In Anspielung auf ein Album der Band sagt er: "Es ist nicht alles Gold, was Abba gemacht hat." Aber Hermanns erkennt die meisten Titel der Schweden auch, wenn ihm die Textpassagen auf Deutsch vorgesetzt werden.
Dass er auch als "Dancing Queen" mithalten kann, beweist Thomas Hermanns 2018 in der Show "Let's Dance". Unter anderem gibt er sich dem Discofieber hin und schafft immerhin neun Runden, bevor er ausscheidet. Ausgetanzt, so die Devise oder "The Name of the Game" sozusagen.
Obsession für den Eurovision Song Contest
Abba und der Grand Prix de la Chanson, wie der Vorläufer des Eurovision Song Contests heißt, haben eine gemeinsame Geschichte. Denn 1974 gewinnen die vier Schweden den europäischen Musikwettbewerb mit "Waterloo". Und da liegt es nahe, dass Thomas Hermanns ebenso eine Grand-Prix-Leidenschaft entwickelt hat. "Kitsch und Schlager sind meine Obsession", sagt er der "Süddeutschen Zeitung" 1993. Mehrfach moderiert er für Eurovision Song Contest die deutschen Vorentscheidungen. 2005 darf er sogar für das Top-Event die Punkte aus Deutschland für die anderen Teilnehmerländer verlesen. Das sei ein "Höhepunkt meiner Karriere" gewesen, erzählt er der "taz" 2006. "Douze points, twelve points, zwölf Punkte" gibt es damals besonders oft für die Siegerin Helena Paparizou als Griechenland mit dem äußerst passenden Titel "My Number One". Geschichtsträchtig ist auch das Abschneiden Deutschlands. Teilnehmerin Gracia bekommt nur vier Punkte und wird Letzte. Ob ihr Song "Run & Hide" wohl auch so vielsagend gewesen ist wie der griechische Beitrag?
ESC-Vorentscheid: Frustration wegen hinterer Plätze
Jedenfalls häufen sich in der Folge schlechte Platzierungen Deutschlands. 2008 werden die No Angels Drittletzte. Daraufhin gibt Hermanns die Moderation des deutschen Vorentscheid frustiert ab. Er bleibe zwar Fan und wolle auch weiterhin, "dass wir gewinnen. Aber ich sehe die Chancen nicht mehr, dass das nochmal klappen kann in den nächsten Jahren und möchte nicht nächstes Jahr wieder da stehen und von einem weiteren Desaster sprechen", erklärt er damals in einem Gespräch mit DWDL.de. In der Tat ist der ESC auch 2009 aus deutscher Sicht mit Platz 20 erneut ernüchternd. Dass 2010 dann Lena mit "Satellite" einen souveränen Sieg einfährt, hat Hermanns nicht ahnen können. Aber dieser Erfolg ist die Ausnahme à la Katja Ebstein ("Wunder gibt es immer wieder"). Hintere Plätze sind seitdem schon fast Tradition.
Viele Preise und viel Lob eingeheimst
Ganz vorn dabei ist Hermanns hingegen oft, wenn es um Preise und Auszeichnungen im Unterhaltungsbereich geht. Für den Quatsch Comedy Club wird er mehrfach mit dem Deutschen Comedypreis geehrt. In seiner Laudatio zur Verleihung des Ehrenpreises 2022 sagt Michael Mittermeier über den "Vater der deutschen Stand-up-Comedy": "In allem, was Thomas gemacht hat, steckt sein Leben drin, aber auch seine Liebe." Und fast schon logisch, dass dabei "Thank You for the Music" von Abba (1977) gespielt wird.
Engagement für Homosexuelle: "Selbstbewusst schwul"
Immer wieder setzt sich der nach eigener Aussage als "selbstbewusst schwul" ("taz" vom 16. Mai 2006) lebende Hermanns öffentlich und aktiv für die Rechte Homosexueller ein, sei es in Deutschland oder 2006 auch in Polen als Schirmherr des "Warschauer Pakts", ein Aktionsbündnis für den dortigen Christopher Street Day. "Liberalität dorthin zu exportieren, empfinde ich als unsere gesellschaftliche Aufgabe", sagt er der "Süddeutschen Zeitung" 2006.
Außerdem beteiligt sich der Entertainer an Benefiz-Veranstaltungen wie etwa gegen homophoben Hass und Gewalt sowie dem Red-Nose-Day sowie an Aktionen des Welt-Aids-Tages.
Retro-Trend: Buchstaben-Umdreher beim "Glücksrad"
Vor der Kamera übernimmt er Anfang 2023 einen neuen Job: Er dreht die Buchstaben beim "Glücksrad" um. Seinen Recherchen zufolge ist er damit aber offenbar nicht der allererste Mann weltweit. "Ich habe den Lizenzinhaber gefragt: Es gab außer mir wohl nur einen Mann, der schon mal an der Wand gearbeitet hat, das war in Brasilien", sagt Hermanns. Einen Unterschied gebe es: Dieser Herr sei oben ohne und mit Sixpack aufgetreten. "Das konnte ich nicht bieten", sagt Hermanns. "Dafür habe ich aber verschiedene Walks angeboten und denke, dass ich das auch gut gemacht habe." Sein Humor dürfte ihm bei dieser Art des Retro-Glückspiels sicher behilflich sein.
Seit 2008 verheiratet
Sein privates Glück hat Thomas Hermanns schon lange gefunden. Im September 2008 heiratet er seinen Freund, den Internet-Unternehmer Wolfgang Macht. Die beiden leben seitdem in einer eingetragenen Partnerschaft. Zu dem Zeitpunkt sind sie bereits seit 16 Jahren zusammen. Das Paar wohnt gemeinsam in Berlin.