ESC: Olivia Jones rechnet mit gutem Ergebnis für Lord Of The Lost
Für das Finale des Eurovision Song Contests rechnet Olivia Jones mit einem guten Abschneiden der deutschen Gruppe Lord Of The Lost. Die Dragqueen wohnt wie Sänger Chris Harms auf St. Pauli in Hamburg. Die Band werde den Stadtteil "wunderbar vertreten."
Am 13. Mai steigt das Finale des Eurovision Song Contests in Liverpool. Für Dragqueen Olivia Jones ist der Wettbewerb ein großer Spaß: "Ich bin riesengroßer ESC-Fan. Wir hatten ja hier jahrelang die große ESC-Party auf dem Spielbudenplatz. Ich kenne ganz viele Künstler, ob es nun Mary Roos ist, die schon ESC gemacht hat oder Conchita Wurst, die mir auch gesagt hat, was das für ein großes Abenteuer ist", hat Jones der Deutschen Presse-Agentur erzählt.
Olivia Jones über Lord Of The Lost: "Echte Musik, nicht sowas Kreiertes"
In dem Gespräch lobte Jones die Musik der Hamburger Band Lord Of The Lost, die Deutschland beim ESC vertritt: "Es ist abgefahren, aber es ist substanzielle, echte Musik und nicht irgendwie sowas Kreiertes." Den Sänger der Gruppe Chris Harms kennt Jones bereits seit vielen Jahren, da beide auf St. Pauli wohnen. "Uns verbindet natürlich die Liebe zum Stadtteil." Es sei ein tolles Zeichen, dass die Bandmitglieder St. Pauli "so wunderbar vertreten, egal ob sie jetzt gewinnen oder verlieren. Das Geile ist ja, dass sie dabei sind und das Ding einfach rocken."
Ursprünglich stammt Olvia Jones aus Springe. Das beschauliche Städtchen in der Nähe von Hannover hätte sich wohl auch nicht träumen lassen, dass es der Geburtsort einer der buntesten Persönlichkeiten Deutschlands werden würde. Am 21. November 1969 wurde in der Stadt der kleine Oliver geboren. Bereits in der Schulzeit trat er, zum Leidwesen seiner Familie und Lehrer, in Frauenkleidern auf. Dies war die Geburtsstunde von Olivia Jones - Deutschlands bekanntester und wohl auch erfolgreichster Dragqueen. Obwohl, damals nannte man das noch Travestiekünstler.
Die große Toilettenfrage
Auch zur Bundeswehrmusterung erschien nicht Oliver, sondern Olivia. Auf die Frage, auf welche Toilette sie denn gehen würde, für Männer oder Frauen, antwortete sie: "Immer dahin, wo gerade mehr los ist!", so beschreibt sie es auf ihrer Webseite. Es folgte die Ausmusterung. Aber so konnte wenigstens ihre Karriere richtig starten.
1990 zogen Oliver und Olivia nach Hamburg und stellten sich bei Lilo Wanders, der damaligen Leiterin des Schmidt Theaters auf der Reeperbahn vor. Nach ein paar kleinen Auftritten bekam Olivia Jones bald ihre eigene Show. "Das war damals noch deutlich schwieriger. Damals gab es ja noch keine Vorbilder", sagt Jones heute über diese Zeit. In Hamburg wurde sie zum Star, dabei ging es ihr nie darum, berühmt zu werden: "Mein Ziel war einfach, davon irgendwann leben zu können. Ich wolle mich ausleben und in meinem Leben den größtmöglichen Spaß haben."
Eine Queen mit Haltung
Den größtmöglichen Spaß hat nicht nur Olivia, sondern auch ihr Publikum in Deutschland und auch international. In der Welt der Travestie sind natürlich alle Königinnen. Aber 1997 wurde Olivia Jones auch offiziell gekrönt, nämlich zur "Miss Drag Queen Of The World". Das war der große Durchbruch und es folgten viele Auftritte im Fernsehen als Moderatorin des Christopher Street Days oder des Eurovision Song Contests. Dabei zeigt sie immer Haltung. Für das Satire-Magazin extra3 besucht sie einen NPD-Parteitag. Außerdem engagiert sie sich für die Tierschutzorganisation PETA und verklagte die AfD Sachsen-Anhalt wegen Volksverhetzung. Die Partei hatte auf ihrer Facebook-Seite Homosexualität mit Kindesmissbrauch gleichgesetzt.
Olivia Jones und St. Pauli: Bars und Kieztouren
Ihre wachsende Berühmtheit verhalf Olivia zu mehr Durchsetzungskraft auf dem Hamburger Kiez. 2008 eröffnete sie ihre erste eigene Bar, die "Olivia Jones Bar", auf der Großen Freiheit. Mittlerweile gehören vier weitere Clubs und Bars zu ihrem Königinnenreich. Außerdem führt sie bei ihren legendären Kieztouren Touristen und Einheimische durch ihr St. Pauli. All das schafft selbst die stärkste Dragqueen nicht alleine. Um die 100 Menschen gehören zur "Olivia Jones Familie". Sie sei sehr stolz, dass sie damit vielen Paradiesvögeln ein Nest und auch eine Plattform gebe.
Olivia Jones eigenes Nest ist und bleibt St. Pauli. Hier arbeitet sie nicht nur, sondern hier lebt sie auch. Das ist für sie auch mit einer besonderen Verantwortung verbunden. "Wir versuchen immer auch, ein Stück vom alten St. Pauli in die heutige Zeit zu retten, durch kreativen Denkmalschutz und Projekte wie unsere kostenlosen Kieztouren zum Tag des offenen Denkmals." Das wissen auch Hamburger Politiker zu schätzen. "Sie hat keine Villa in Irgendwo und greift hier nur ab, sondern sie lebt hier und hilft den Menschen, die hier leben. Das finde ich richtig gut", sagte Reeperbahn-Quartiersmanagerin Julia Staron.
Fotopose: "Wie eine Giraffe am Trinkloch"
Zwei Stunden dauert es, bis aus Oliver Olivia geworden ist. Schrille Farben und hohe Perücken, dafür ist Olivia Jones bekannt. "Mit High Heels und Deko" ist die Dragqueen knapp 2,30 Meter groß - zumindest war sie das mal. 2017 lässt sie sich das eine Bein um fünf und das andere um sechs Zentimeter kürzen. "Ich war’s leid in der Olivia Jones Bar mit meiner Perücke immer die Decke zu schrubben", erzählt sie in ihren Fans in den sozialen Netzwerken. "Ich hatte bei Selfies eine Körperhaltung wie eine Giraffe am Trinkloch und ständige Schmerzen wegen meiner unterschiedlich langen Beine und der schrägen Hüfte." Die herausoperierten Beinknochen bewahrt sie übrigens in einem Einmachglas in der Küche auf.
Manchmal wird aber selbst Olivia der Trubel zu viel. "Ich habe schon diesen Selbstdarstellungstrieb, den ich gern auslebe", sagt sie. "Aber den muss ich nicht 24 Stunden haben." Dann zieht sie als Oliver durch die Straßen und niemand erkennt sie - noch nicht mal in den eigenen Kneipen. Dort unterhält sich Oliver gerne mit seinen Gästen über sich selber: "Das ist total lustig."
"Ich werde das mit 80 und 90 noch machen"
Ans Aufhören denkt Olivia Jones noch lange nicht. "Diesen Satz muss ich jetzt immer häufiger über mich lesen. Was ist denn das für ein Satz?", beschwert sich Jones. "Das klingt ja, als wäre ich 90 oder so. Das ist meine Berufung. Ich werde das mit 80 und 90 noch machen, ob das Publikum will oder nicht." Eigentlich hat sie nur einen großen Wunsch: "Ich würde mir für die Gesellschaft wünschen, dass wir irgendwann alle so tolerant geworden sind, dass wir eigentlich keinen Christopher Street Day mehr brauchen."