Staatstheater Braunschweig lockt mit Gratiskarten für Nichttheatergänger
Das Staatstheater Braunschweig lädt alle, die noch nie - oder sehr lange nicht mehr - im Theater waren, zu einer Gratis-Sondervorstellung des Stücks "Stolz und Vorurteil* (*oder so)" am 25. April ein.
Dagmar Schlingmann ist Intendantin des Staatstheaters Braunschweig. In der Ankündigung des Hauses steht: "Für Theater, die ja die verrücktesten Figuren auf die Bühne bringen, gibt es doch jene, die ein großes Rätsel bleiben: die sogenannten 'Nicht-Besucher'."
Frau Schlingmann, was macht den "Nicht-Besucher" für Sie so rätselhaft?
Dagmar Schlingmann: Der Nicht-Besucher nimmt immer teil an den sogenannten Besucherumfragen, die wir von Zeit zu Zeit machen. Wir stellen immer wieder fest, dass es durchaus Menschen gibt, die zum einen sehr stolz darauf sind, dass Braunschweig ein großes Staatstheater hat, obwohl sie gar nicht hingehen, und zum anderen tatsächlich auch potenzielle Besucher sind. Viele Menschen denken: "Ich müsste mal wieder...; ich könnte doch mal..." - dann kommt aber irgendwas dazwischen und dann macht man es wieder nicht. Wir wollen einfach einen kleinen Schubs in die Stadtgesellschaft geben und sagen: "Jetzt habt ihr die Gelegenheit, das, was ihr eigentlich schon seit Jahren mal machen wollt, wozu ihr aber nie kommt, einfach mal in die Tat umzusetzen."
Wir haben in die Vorstellung "Stolz und Vorurteil* (*oder so)" eingeladen - das ist ein totaler Publikumsrenner, sehr lustig, sehr unterhaltend. Man muss nur eine kleine E-Mail schreiben und kann so zwei Karten erhalten.
Die Karte für "Stolz und Vorurteil* (*oder so)" kostet sonst 15 bis 35 Euro - glauben Sie dass das Geld den rätselhaften Besucher bisher davon abhält, ins Theater zu gehen?
Schlingmann: Ich würde sagen, dass sicherlich das Geld bei manchen Nicht-Besuchern eine Rolle spielt - das ist völlig klar. Da arbeiten wir an Modellen, um ein System mit "Sozialkarten" zu entwerfen. Aber ich glaube nicht, dass das der einzige Grund ist, sondern es sind auch andere Schwellen oder vielleicht Ängste, zum Beispiel dass man den Eindruck hat, dass man sich da furchtbar schick anziehen muss, oder dass man das nicht versteht. Diese Schwellen und Ängste würde ich gerne mit dieser Aktion abbauen, weil Theater tatsächlich für alle da ist, und ich möchte gerne auch ein sehr diverses Publikum haben.
Vielleicht denken auch viele: "Das ist bestimmt ganz modern und schräg und dann verstehe ich das alles nicht." Warum ist gerade "Stolz und Vorurteil* (*oder so)" das richtige Einsteiger-Stück?
Schlingmann: "Stolz und Vorurteil* (*oder so)" ist wirklich ein sehr schöner Theaterabend, der sehr humorvoll auf diesen Klassiker von Jane Austen schaut. Es sind diese Verliebtheitsgeschichten, es gibt sehr viele Verfilmungen. Hier wird das allerdings alles von Dienstmädchen gespielt. Es gibt da so einen Bruch in der Erzählstruktur, und das macht einfach unglaublich viel Spaß. Es sind bekannte Songs aus der Popkultur, die da gesungen werden - das Ganze hat ein bisschen einen Karaoke-Charakter. Wir haben das Stück schon öfter gespielt, und es findet immer vor ausverkauftem Haus statt und erntet am Schluss Standing Ovations. Das ist ein guter Einstieg: Es ist modern, aber es ist auch sehr unterhaltend.
Wie ist Ihr Gefühl: Klappt das, die Leute zu infizieren, sodass sie immer wieder kommen?
Schlingmann: Wir werden das evaluieren. Es ist ja nicht die einzige Maßnahme, die wir machen. Wir versuchen manchmal auch mit besonderen Themen eine besondere Zielgruppe zu erreichen. Wir hatten in der Oper den "Barbier von Sevilla" - da haben wir Friseur-Teams in Braunschweig eingeladen. Es ist immer wieder der Versuch zu signalisieren: "Wir sind ein offenes Haus, wir sind für alle da. Und wenn ihr keine Theatergänger*innen seid, dann kommt doch einfach mal gucken - vielleicht ist das was für euch."
Das Interview führte Jan Wiedemann.