VIDEO: Ehepaar Saba-Nur Cheema und Meron Mendel im Porträt (6 Min)

Saba-Nur Cheema und Meron Mendel: Mit Bildung gegen den Hass

Stand: 24.02.2025 07:37 Uhr

Saba-Nur Cheema ist Muslima, und ihr Mann, Meron Mendel, Jude. Die Politologin und der Historiker erleben täglich, wie sehr der Nahostkonflikt die Gesellschaft spaltet. Dem wollen sie etwas entgegensetzen, indem sie aus ihrem Leben schreiben.

von Thorsten Maack

Sie beide sagen, dass ihre Ehe kein "Friedensprojekt" sei, dabei ist Saba-Nur Cheema Muslima und Meron Mendel Jude. Beide haben sich über die Bildungsarbeit kennen- und lieben gelernt: Sie ist Politologin, er Historiker. Als Paar blicken sie gemeinsam auf die sich immer weiter polarisierende Welt, sprechen und schreiben darüber: über Kindererziehung und ihren Alltag genauso wie über den Nahostkonflikt und Identitätspolitik.

Sie setzen sich öffentlich und auch gegen Widerstand aus ihren eigenen Communitys für eine humanere Welt ein, die auf Verständnis aufbaut. Sie wollen Polarisierungen überwinden und glauben, dass Bildung dem Hass entgegenwirken kann. Wie? Indem sie auf Dialog setzen, auch eine offene Streitkultur, auf ein Zusammenfinden auch in der Differenz. Eben deshalb bekommt das Paar am 9. März die Buber-Rosenzweig-Medaille in Hamburg verliehen.

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Ein Paar in Zeiten der Vereinnahmung

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Das Private ist besonders politisch, wenn eine Muslima und ein Jude gemeinsam auftreten. Meron Mendel etwa verlor bei dem Terrorangriff der Hamas nahe Freunde. Dann kam die israelische Reaktion - die Opfer auf beiden Seiten. Empathie kommt von vielen immer nur für jeweils eine Seite. Man müsse sich positionieren - das gilt bis hinein in die deutsche Kulturszene.

"Die Argumentation läuft so: Du hast eine Position geäußert, die nicht meine Position ist - deswegen musst du ausgeladen werden. Deswegen darfst du keinen Preis bekommen, oder deswegen musst du so oder so sanktioniert werden. Und dann kommen Mechanismen in Gange, die konträr sind zu einer konstruktiven Debattenkultur. Dann geht es darum, den anderen als Feind zu sehen", sagt Mendel.

Meron Mendel: "Wir handeln wie Tiere, die mit der Herde ziehen"

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"Da handeln wir wie Tiere, die mit der Herde ziehen, und machen genau das, was alle tun", beklagt Mendel. "Ich schätze die Menschen, die sagen: Ich lasse mich nicht vereinnahmen von der einen oder der anderen Ecke, sondern ich bilde mir mein eigenes Urteil. Und das kann mal so und mal so ausfallen. Oder ich kann auch ehrlicherweise sagen: Ich habe keine Ahnung. Das ist auch eine legitime Position."

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Für Austausch und Toleranz

Beide arbeiten im Bereich politische Bildung - und machen auch ihren Alltag publik, um ein Beispiel für Austausch und Toleranz zu sein. Sie plädieren für eine Zwei-Staaten-Lösung und Versöhnung. Sie wollen Parteilichkeit überwinden und Hoffnung entwickeln. Bei einem Besuch in Israel zeigt sich, wie schwer das dort ist, wo sich die Parteien gegenüberstehen - eine ganze Region als Kampfzone.

"Insgesamt war es sehr schön, Freunde und Familie nach so einer langen Zeit wiederzusehen", findet Cheeba. Was aber zu spüren war, war diese große Verzweiflung: Wie soll das eigentlich weitergehen?"

Saba-Nur Cheema: "Wir brauchen das Aneinanderreiben"

In ihren Veranstaltungen fordern sie Widerspruch heraus - sie wollen ihn, denn nur in der Konfrontation könne man sich austauschen, sagen sie. "Wir brauchen das Aneinanderreiben. Das Gemütlich-Machen in den Safe Spaces, das Klicken und Liken in der Bubble, in der ich gern unterwegs bin und wo ich mich bestätigt fühle - genau das hat dazu geführt, dass wir jetzt von Spaltung reden", stellt Cheeba klar.

Dafür werden sie zur Eröffnung der "Woche der Brüderlichkeit" ausgezeichnet. "Geschwister können vehement miteinander streiten, und trotzdem gibt es eine Basis: Wir sind eine Familie und am Ende des Tages setzen wir uns zum Abendbrot und essen zusammen", erklärt Mendel. Cheema ergänzt: "Vor allem hat es uns beiden einen ordentlichen Schub und Motivation gegeben zu sagen: Wir machen auf jeden Fall weiter, wenn nicht sogar mehr, weil es vielleicht wirklich einen Unterschied macht." Gerne mehr davon.

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