Neu im Dorf: Wie sich das Landleben verändert

Stand: 28.10.2023 13:54 Uhr

Seit einigen Jahren zieht es wieder mehr Menschen in die Dörfer. Das Journal besucht das Dorf Lüdersen in Niedersachsen und stellt Menschen vor, die neu in den Ort gekommen sind.

von Thorsten Mack 

Kathrin Schubert ist mit ihrem Freund nach Lüdersen am Deistergebirge gezogen. Nach Jahren in Städten ist das jetzt ihr neuer Lebensmittelpunkt: "Es macht richtig Spaß. Das ist auch mit das Schönste," sagt Kathrin Schubert und portioniert fertigen Teig in ihrer Backstube. "Ich habe ja auch mit Leuten zusammen in Backstuben gearbeitet. Aber ich hatte schon auch Lust, irgendwie was Eigenes zu machen und auch tatsächlich da zu wohnen, wo ich arbeite. Das haben wir jetzt hier mit dem Hof gefunden."

Sie knetet den Teig für die Brotlaibe und legt sie in die Gärkörbe: "Ich hatte ja auch ganz lang keine Lust auf diese Verantwortung. Jetzt merkt man halt hier auf dem Dorf, das man schon eine gewisse Verantwortung hat. Wir sind zum Glück in Lüdersen gelandet. Hier machen es einem die Leute sehr leicht." 

 Lüdersen in Niedersachsen heißt junge Leute willkommen

Die Backstube ist ein Provisorium. Zusammen mit ihrem Freund Joshua Dings, einem Heizungsbauer, werden die beiden jahrelang auf einer großen Baustelle leben. In ein Zwischengebäude bauen sie die geplante Backstube ein. "Das wird dann so eine Art Hofbäckerei," erklärt Joshua Dings, "die sich in Lüdersen dann hoffentlich gut etabliert. Das ist ein Mammutprojekt, mit einem von Hand gebautem Holzbackofen - ganz klassisch. Wir hoffen, nächstes Jahr zu Weihnachten die Bäckerei zu eröffnen." 

Der Heizungsbaubetrieb auf dem Hof mit eigenen Tieren und die Backstube - die Neuen sind in Lüdersen willkommen. Das Dorf hatte vorher keine Bäckerei mehr. Die Bürgermeisterin Ursel Postrach freut sich: "Das ist ganz wichtig. Denn eine Dorfgemeinschaft lebt davon, dass es auch mal neue Ideen gibt, kreative Leute, die zu uns kommen. Und da ist gerade hier so ein Backofen eine wunderbare Geschichte."

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Dörfer haben nicht nur mehr Platz als Metropolen, sie sind auch günstiger. So beträgt die Miete in Städten durchschnittlich dreizehn Euro pro Quadratmeter, in Dörfern nur neun. Während vor 15 Jahren die Dörfer noch schrumpften, hat sich auch deshalb der Trend nun umgekehrt. Die Studie "Neu im Dorf" der Wüstenrot-Stiftung sieht deshalb auch eine neue Landlust. Gerade junge Familien ziehen in Dörfer wie Lüdersen. Dafür müssen die aber auch liefern. Orts-Bürgermeisterin Ursel Postrach erklärt: "Wir haben einen Waldkindergarten, der bietet etwa 15 bis 16 Plätze und wir haben einen DRK-Kindergarten hier vor Ort. Zudem haben wir eine tolle Dorfgemeinschaft mit einem Amateurtheater, einer super Sportgemeinschaft und einer Freiwilligen Feuerwehr. Für so ein kleines Dorf mit 1.000 Einwohnern haben wir viel zu bieten, und ich denke, darum kommen junge Leute auch gerne zu uns. Das sind so Dinge, die wir hier brauchen auf dem Land." 

Der Trend ist nachhaltig. Zur Zeit wohnen etwa 60 Prozent der Deutschen in Groß- und Mittelstädten, aber wohnen wollen dort nur 39 Prozent. Den Rest zieht es raus. Dahin, wo man früher den Strukturwandel beklagte und den daraus resultierenden Leerstand. Jetzt kann das zur Chance werden. In Lüdersen entsteht gerade ein neues Wohnprojekt. "Es gibt zu wenig Mietfläche in den Dörfern," sagt Timo Harder von raumhaus.info. "Und wir wollen Mietraum schaffen, den man sich leisten kann. Für junge Familien, für Alleinstehende, aber auch für alte Leute. Es ist ein aktuelles Thema."

Teil einer Gemeinschaft werden

Gebaut werden soll mit Lehm direkt vom angrenzenden Hügel - heimische Produkte also, genau wie die Brote von Kathrin Schubert. Es geht darum, Teil einer Gemeinschaft zu werden, den Ort zu bereichern, der gleichzeitig viel geben kann. Auch hier soll noch viel Wohnraum entstehen - für einen lebendigen Hof in einer lebendigen Gegend, wie Joshua Dings erklärt: "Es ist super, diesen alten Hof wiederzubeleben, zum Beispiel mit den Tieren, wie die Hühner, die hier auf dem Hof teilweise frei rumlaufen. Wir haben Platz und Freiraum. Hier sind 5.000 Quadratmeter Grundstück. Das kann sich keiner mehr heute leisten." 

Viel Arbeit wartet noch. Der Zuspruch der Eingesessenen hilft, findet Dings: "Es ist tatsächlich ein tolles Miteinander: geben und nehmen. Wie soll ich sagen, die rufen auch zum Beispiel an, wenn sie mich brauchen. Wir fühlen uns hier super integriert. Es ging ganz schnell."

 

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