Aufnahme der Villa Schlikker in Osnabrück. © picture alliance/dpa | Friso Gentsch Foto: Friso Gentsch

Namensstreit: Osnabrücks neues Museum zur NS-Geschichte

Stand: 10.03.2023 11:35 Uhr

Seit zwei Jahren wird in Osnabrück über den Namen für ein neues Museum debattiert: Osnabrücks NS-Geschichte, aber auch die Geschichte Hans Calmeyers soll gezeigt werden - doch Calmeyer ist umstritten.

von Birgit Schütte

Im Herbst soll der Umbau der Villa fertig sein. Eines von vier Häusern des Museumsquartiers, zu dem auch das Nussbaum-Haus gehört. Im neuen Museum soll Osnabrücks NS-Geschichte, aber auch die Geschichte des Osnabrücker Juristen Hans Calmeyer im Mittelpunkt stehen - einerseits NS-Funktionär, gleichzeitig hat er vielen Juden das Leben gerettet. Seine Person ist umstritten. Eigentlich wollte sich bereits im Februar der Kulturausschuss auf einen neuen Namen für das Museum einigen. Nun steht die Namensgebung wieder auf der Tagesordnung.

Villa: Parteizentrale der NSDAP während der NS-Zeit

Hans Calmeyer um 1941.
Hans Calmeyer hat hunderte Jüdinnen und Juden gerettet - und hunderte in den Tod geschickt.

"Villa Schlikker - Forum Erinnerungskultur und Zeitgeschichte" oder "Villa Schlikker - What about Calmeyer?" könnte das neue Museum heißen, schlägt der wissenschaftlichen Beirat nach jahrelangen Debatten vor. Aber der Streit um den Namen ist noch nicht zu Ende: Fritz Brickwedde, Vorsitzender der Osnabrücker CDU, hat eine weitere Runde eingeläutet: "Den Vorschlag kann ich auf keinen Fall akzeptieren. Den Namen Calmeyer als Unterzeile zu Schlikker zu nehmen, finde ich unpassend. Der Name Schlikker ist nationalsozialistisch schwer belastet", so Brickwedde. "Hans Calmeyer hat circa 3.000 Juden vor der Ermordung bewahrt. Da stimmen die Relationen nicht und deswegen, meine ich, müssten wir nochmal ganz neu über das Thema diskutieren."

Die ehemalige Industriellenvilla war während der Nazizeit die Parteizentrale der NSDAP. Hans Calmeyer ist nicht nur als Namensgeber für das Museum umstritten, denn er musste als Jurist und NS-Rassenreferent in den Niederlanden entscheiden, wer ins Konzentrationsager geschickt wurde. So hat er zwar einerseits Leben gerettet, indem er beispielsweise falsche Papiere akzeptierte, aber er war auch am Holocoust beteiligt. Deswegen lehnt der Sozialdemokrat Heiko Schlatermund, den favorisierten Namensvorschlag des Christdemokraten Fritz Brickwedde, "Calmeyer Forum", ab. Das gebe Calmeyer zu viel Bedeutung: "Deswegen halt ich auch nichts davon. Ein 'Calmeyer Forum' findet ja innerhalb des Hauses durchaus statt. Denn Calmeyer ist ja ein wesentlicher Bestandteil des neuen Hauses und deswegen ist auch diese langatmige Situation nicht mehr nachvollziehbar."

Ort der kritischen Auseinandersetzung mit Osnabrücker NS-Geschichte

Für den grünen Vorsitzenden des Kulturausschuss, Sebastian Bracke, ist wichtig, dass das neue Museum Opfer und Widerständler, aber auch Täter und Profiteure des NS-Regimes in den Blick nimmt: "Wir wollen einen Ort schaffen, an dem eine kritische Auseinandersetzung mit der NS-Zeit möglich ist", sagt Bracke. "Einmal mit der Osnabrücker NS-Geschichte, aber auch anhand der Person Hans Calmeyers, der in den Niederlanden in der deutschen Besatzungsbehörde gearbeitet hat und eine geeignete Person ist, um sich damit auseinanderzusetzen, was möglich war, um Menschen zu retten."

Die Grünen und die Sozialdemokraten favorisieren den ersten Namensvorschlag des wissenschaftlichen Beirats: "Villa Schlikker - Forum Erinnerungskultur und Zeitgeschichte". Alfons Kenkmann, Geschichtsdidaktiker an der Universität Leipzig, leitet den Beirat. Er ist nicht begeistert, dass die Debatte um den Namen weitergeht: "Da habe ich wenig Verständnis für. Außerhalb von Osnabrück ist das unter Wissenschaftlern ein Problem, das man nicht mehr nachvollziehen kann", sagt er. "Dass in Osnabrück eine Runde nach der anderen gedreht wird, ist natürlich auch ein Problem für die wissenschaftliche Beratung selbst. Jetzt sind diese beiden Vorschläge gemacht worden und jetzt kann die Politik entscheiden. Ich denke, das muss sie dann auch, denn wir haben jetzt ganz andere Aufgaben. Wir wollen die Ausstellung beratend in ihrer Konzeption begleiten und die soll ja im Herbst eröffnet werden."

Ende April soll der neue Name stehen

Aber die Debatte um den Namen geht weiter, weil sich der Kulturausschuss nicht einigen konnte. Der Rat der selbsternannten Friedenstadt Osnabrück soll nun Ende April entscheiden, wie das neue Museum heißen soll. Die Mehrheit haben die Grünen und die SPD. Also sind die Chancen für den Vorschlag des wissenschaftlichen Beirats groß.

 

 

 

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Matinee | 10.03.2023 | 09:40 Uhr

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