Nachgedacht: Zeitumstellung mit Tanzverbot, ein Drama des Lebens
Am Wochenende ist Zeitumstellung. Eine Stunde fehlt. Gähn! Immer das Gleiche, oder? Nein, es gibt ein neues Argument gegen die Zeitumstellung.
Diese Kolumne wird gefürchtet, weil sie geheime Zusammenhänge aufdeckt. Aber anders als andere. Wo der gewöhnliche Feld-Wald-und-Wiesen-Text wie ein zweitklassiger Instagram-Post eine Weltverschwörung nach der anderen entlarvt, geht es hier um die Elixiere des Lebens.
Es gibt zu wenig Tanz und zu wenig Zeit
Zum Beispiel den Tanz und die Zeit. Ich rede nicht lange drumherum, der Zusammenhang zwischen Tanz und Zeit besteht darin, dass es von beidem zu wenig gibt. Zu wenig Tanz, zu wenig Zeit. Es ist traurig. In diesen Tagen wird es dramatisch.
Ein Blick ins Feiertagsgesetz des Bundes klärt auf: "Öffentliche Veranstaltungen in Räumen mit Schankbetrieb, die über den Schank- und Speisebetrieb hinausgehen", sind an Karfreitag unzulässig. Behördendeutsch ist ein Gottesgeschenk, es regt zum Denken an.
Man grübelt, was das sein mag, eine öffentliche Veranstaltung in einem Raum mit Schankbetrieb, die über den Schank- und Speisebetrieb hinausgeht. Ein Konzert? Gemeinsamer Verzehr von Drogen? Was nur? Zum Glück gibt’s den Volksmund. Auch er ist ein Gottesgeschenk, er übersetzt Behördendeutsch in klare Sprache: Tanzverbot! Das will das Feiertagsgesetz uns sagen. An Karfreitag gilt in Deutschland ein Tanzverbot.
Bundesländer haben einen Riesenspaß an eigener Ausgestaltung
Wäre es bloß so einfach. "Gilt in Deutschland", was heißt das schon? Deutschland besteht aus vielen Deutschlanden, die Riesenspaß daran haben, Bundesregeln selbst auszugestalten. Auch das Tanzverbot. Ausgerechnet in Rheinland-Pfalz, wo Speis und Schank extrem geschätzt sind, ist das öffentliche Rumhüpfen und Hüftschwingen von Gründonnerstag 4 Uhr bis Ostersonntag 16 Uhr untersagt. 84 Stunden lang!
Anders im gottesfürchtigen Hamburg, das nur an Karfreitag von 5 Uhr bis Mitternacht unbetanzt bleibt. 19 kurze Stunden, aber noch immer zu viel für eine Welt, die endlich ins Tanzen kommen muss.
Gesetzgeber! Bundesländer! Was denkt ihr euch? Denkt ihr überhaupt? Manchmal, nur als Tipp, fallen die Ostertage aufs letzte Märzwochenende. Was am letzten Märzwochenende passiert? Ich sag’s euch: Dann wird „die Zeit umgestellt“, ein skurriler Ausdruck für Diebstahl, denn Stundenklau, das ist es, was von Samstag auf Sonntag passiert.
Unser Zeitmangel wird sadistisch verschärft. Diesmal genau in der Jahreszeit, in der in dieser hüftsteifen, von Hass, Überempfindlichkeit und Zukunftsangst flächendeckend befallenen Gesellschaft, deren zu Boden gesacktes Selbstbewusstsein sich überhaupt nur hebt, wenn elf Männer in Dunkelpink-Blau ausnahmsweise zwei Fußballspiele gewinnen, nicht getanzt werden kann. Ausgerechnet jetzt wird uns noch mehr Zeit genommen, die wir dringend zum Tanzen bräuchten, das zwischenzeitlich verboten ist.
Kommt mir nicht mit der Tradition, ich respektiere sie aus vollem Herzen, nur nicht als Ausrede. Und lasst die rhetorischen Tricks stecken, erklärt uns nicht, dass die Zeitumstellung, indem sie uns eine Stunde klaut, faktisch das Tanzverbot verkürze, jedenfalls in Bundesländern, in denen das Verbot auch die Nacht von Karsamstag auf Ostersonntag umfasst. Lenkt nicht ab vom Drama!
Wer nicht tanzt, lebt nur halb
Erstens: Ohne Zeit kein Leben. Zweitens: Wer nicht manchmal tanzt, ob mit dem Körper oder im Geist, lebt das Leben nur halb. Wenn Zeitumstellung und Tanzverbot zusammenfallen – logisch, was das bedeutet. Ein Drama.
Worauf ich hinauswill? Ist doch klar! Gesucht war ein präzises, völlig neuartiges, nicht zu widerlegendes Argument gegen die Zeitumstellung. Voilà, hier ist es. Und jetzt ihr, Zeitumstellungsfreunde. Ich erwarte eure Antwort.