Kommentar: Der Karfreitag ist ein hohes Kulturgut
An diesem Karfreitag darf in Hamburg getanzt werden - wenigstens nachts in den Musikclubs. Der Senat hat die strengen Ruheregeln des Feiertags ein bisschen gelockert. Zwischen 2 Uhr und 5 Uhr darf die Musik nun laut bleiben. Daniel Kaiser kommentiert.
Diese Entscheidung ist richtig. Dass die Polizei mit erhobenem Zeigefinger und Blick auf die Uhr sogar nachts durch Musikclubs streift, um den Stecker zu ziehen, ist wirklich aus der Zeit gefallen.
Dom bleibt geschlossen
Manchen geht die neue Regelung aber nicht weit genug. Der Hamburger Dom bleibt ja am Karfreitag weiterhin geschlossen, und auch Sportveranstaltungen sind untersagt. Wie kann das sein, da Hamburg doch längst keine durch und durch christliche Stadt mehr ist? Wir sind doch multireligiös und weltlich.
Karfreitag ist kein normaler Tag
Ganz ehrlich: Ich kenne niemanden in der Kirche, der sich als Tugendwächter aufspielt und anderen vorschreiben will, was man tun oder glauben soll. Die Zeiten sind endgültig vorbei. Aber der Karfreitag ist kein normaler Tag. Es ist wie bei Weihnachten oder Totensonntag. Das Bundesverfassungsgericht hat ja vor ein paar Jahren noch einmal die Karfreitagsruhe bestätigt, weil sie "niemandem eine innere Haltung vorschreibt, sondern lediglich einen äußeren Ruherahmen schafft".
Stiller Freitag ist keine Schikane
Am Karfreitag geht es um Respekt vor den Christinnen und Christen in dieser Stadt, für die diese Stunden besonders wertvoll sind. Es geht auch um den Respekt vor einer Kultur, die diese Stadt seit ihrer Gründung geprägt und geformt hat. Dieser stille Freitag ist keine Schikane. Er ist ein hohes Kulturgut. Er gehört zu unserer Identität als Freie und Hansestadt Hamburg. Zu einem Rhythmus, in dem eben nicht egal ist, welcher Tag gerade ist und alles nur unter Event- und Kapitalismus-Gesichtspunkten gegengerechnet wird.
Feiertag mit Inhalt füllen
Wir haben als Gesellschaft fast keine solcher stillen Räume mehr. Dazu kommt: Der Karfreitag ist ja ein Tag, an dem es ums Leiden geht. Kara ist ein uraltes Wort für Klage, Kummer und Trauer, weil die Christen an diesem Tag daran erinnern, dass Jesus Christus hingerichtet wurde. Vielleicht brauchen wir als Stadtgesellschaft mehr Angebote außerhalb der Kirchen, um diesen Feiertag mit Inhalt zu füllen – um sich mal über die Brüche und das Leiden in dieser Stadt Gedanken zu machen: Warum etwa in diesem Winter wieder acht Obdachlose auf Hamburgs Straßen erfroren sind, oder warum wir nur noch hilflos und schulterzuckend auf die Drogenszene am Hauptbahnhof schauen. Da ist so viel Leid.
Wertschätzung ist wichtig
An mehr als 360 Tagen kann man feiern und tanzen, bis der Arzt kommt. Ich finde es wichtig, dass wir uns als Gesellschaft mal für einige Stunden synchronisieren und zur Ruhe kommen. Aber die Diskussion zeigt: Selbstverständlich ist das nicht mehr. Ich glaube, wir brauchen einen neuen behutsamen, wertschätzenden, freundlichen Blick auf unser Zusammenleben – auch auf unsere Feiertage - religiös oder weltlich.