Mythos Wolf: "Ohne die Tiere wäre unser Leben wesentlich ärmer"
Sehen wir den Wolf als Teil der Natur und damit als Teil von uns und unserer Welt, oder wollen wir ihn nur ganz weit weg haben? Diese Frage stellt sich auch die Malerin Gisela Krohn - aus der Perspektive der Kunst.
Gisela Krohn hat vor zwei Jahren das Projekt "Wald Wolf Wildnis" ins Leben gerufen und eine Ausstellung mit Bildern zum Thema Wolf kuratiert.
Frau Krohn, warum haben Sie sich dieses Themas angenommen? Was hat Sie künstlerisch an diesem Thema fasziniert?
Gisela Krohn: Es geht ja nicht nur um den Wolf, es geht eigentlich um das "Unbequeme" in unserem Leben, dass wir damit irgendwie zurechtkommen müssen. Die Kunst ist in diesem Sinne für mich ein schöner Vermittler, um diese ganze Debatte um den Wolf oder die Rückkehr der ganzen Beutegreifer aus oft unschönen Abgründen wieder herauszuholen und auf eine andere Ebene zu bringen. Außerdem ist Kunst auch ein sehr sinnliches Medium, und das ist mir sehr wichtig, dass man einfach wieder ins Spüren kommt. Das ist der Ansatz meiner ganzen Ausstellung.
Was kann man denn spüren und fühlen, wenn man sich die Ausstellung "Wald Wolf Wildnis" ansieht?
Krohn: Im Gesamtkonzept geht es schon darum, das als Teil unserer Natur darzustellen. Die Tiere sind einfach ein Teil unserer Natur und ohne die Tiere wäre unser Leben wesentlich ärmer. Auch das Unbequeme kann in eine eigene Diskussion führen, wie man sich überhaupt positionieren will. Gerade in diesen Zeiten, wo uns so viele Herausforderungen entgegenkommen, müssen wir umdenken, wie weit wir uns mit oder gegen die Natur stellen wollen.
Was kann ich in der Ausstellung erleben und sehen?
Krohn: Bei der letzten Ausstellung waren es 27 Künstler aus 16 verschiedenen Ländern, die ich eingeladen habe, um etwas zu diesem Thema beizutragen. Es geht nicht nur um den Wolf. Es geht auch um die Wildnis. Eine russische Künstlerin zeigt zum Beispiel eine Eisenfalle, mit der früher gejagt wurde - oder auch heute noch, natürlich illegal. Wenn man ein bisschen Empathie hat, wird einem ganz schlecht, wenn man sich vorstellt, dass darin ein Tier verendet. Oder man sieht eine ganze Wand mit Köpfen von Wölfen, wie so eine Ahnen-Familie, und den kleinen Wolf, der diese Wölfe anschaut und quasi in Kontakt mit der eigenen Geschichte tritt. Die ist ja nicht ganz unbelastet, der Wolf war in Deutschland ausgerottet. Ich empfinde das als ein unheimlich starkes Bild.
Unterscheidet sich die Kunst eigentlich je nach dem, aus welchem Land der Künstler, die Künstlerin kommt?
Krohn: Ja. Das war auch das Konzept, dass ich vor allem Künstler einlade, in deren Herkunftsländern der Wolf nicht ausgerottet war, wo die Menschen immer noch in natürlichem Kontakt mit dem Wolf gelebt haben. Das sind oft die osteuropäischen Länder, auch Rumänien oder Kirgistan. Ich habe einen tollen Künstler aus Kirgistan eingeladen, der auch eine sehr starke Arbeit hat: "My Brother Is My Enemy". Darauf sieht man, wie ein Mensch mit einem Wolfskopf in einer Jute sitzt und um ihn herum liegen Wolfsfelle. Darauf erkennt man, wie sich das Bild vom Wolf und dem Menschen umgedreht hat: Früher gab es die Kooperation Mensch und Wolf - jetzt ist der Wolf der Konkurrent des Menschen. Das ist ein ganz starkes Bild, um das aufzuzeigen.
Wie malen Sie selbst den Wolf?
Krohn: Ich arbeite zum Teil mit einem Wild-Fotografen zusammen, weil mich die Leute interessieren, die direkt vor Ort mit den Wölfen im Kontakt sind, die, die das festhalten können. Ganz spannend finde ich auch eine Wild-Kameraaufnahme, weil man da den Wolf ganz natürlich sehen kann, ohne Inszenierung des Menschen, der dann wieder seine Interpretation in das Bild steckt. Ich will einfach den Wolf als ein ganz normales Tier zeigen. Die Serie, die ich da gemalt habe, heißt "Never Alone", was wiederum den Hinweis darauf gibt, dass der Wolf unter ständiger Beobachtung ist und dass wir Menschen das Wilde ständig kontrollieren wollen, anstatt es als einen Teil von uns anzunehmen.
Was kann die Kunst zur aktuellen Debatte beitragen?
Krohn: Ich habe sehr gelitten, als ich diese Debatte in den Medien verfolgt habe. Dann fiel mir ein: Mensch, ich bin doch selber Künstlerin, Schaffende, und ich kann doch ein großes Netzwerk aufbauen, um diese ganze Debatte auf eine andere Ebene zu führen. Das habe ich dann mit einem Leserbrief beschlossen, dass das jetzt ein Projekt wird, und das wurde unglaublich toll angenommen von Künstlerkollegen, denen es ähnlich ging. Ich habe jetzt eine wunderbare Truppe von 14 Leuten und es kommen immer wieder neue Leute hinzu, die aktuelle Beiträge aus ihrer Kultur einbringen können. Das hat mir unheimlich viel Kraft gegeben: dass ich nicht nur ohnmächtig zuschaue, sondern dass ich etwas bewirken kann. Es wird unglaublich gut angenommen.
Das Interview führte Julia Westlake.