Wie geht es weiter mit dem Wolf in Niedersachsen?

Stand: 13.09.2023 11:38 Uhr

Immer wieder kommt es zu Wolfrissen in Niedersachsen. Schäfer beklagen, dass ihnen nicht ausreichend geholfen wird. Das Dialogforum Weidetierhaltung und Wolf hat am Dienstag über neue Maßnahmen diskutiert.

von Jan-Christoph Scholz

Der Wolf ist ein Problem in Niedersachsen - und wird es wohl auch erstmal bleiben. Doch selten war man sich so einig, was den Umgang mit dem Wolf angeht, betonte Umweltminister Christian Meyer. Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (beide Grüne) bewertet es zudem als Erfolg, dass bei diesem emotionalen Thema alle auf einer konstruktiven und sachlichen Ebene miteinander sprechen. Rund 50 Vertreter aus Naturschutz- und Landwirtschaftsverbänden sowie Experten des Umwelt- und Landwirtschaftsministeriums diskutierten am Dienstag die Frage: Wie geht es mit dem Wolf in Niedersachsen weiter?

Bei einem Wolfsangriff in Landkreis Stade starben 55 Schafe

In der Vergangenheit war es immer wieder zu Rissen gekommen - von Schafen, Rindern, aber auch von Pferden. Erst kürzlich hatte es in Gräpel im Landkreis Stade einen Wolfsangriff gegeben. Es gab 55 tote Schafe. Schäfer beklagen, dass ihnen nicht ausreichend geholfen wird. "Wir stehen mit dem Rücken zur Wand", sagte Joachim Rehse, Vorsitzende des Landesschafszuchtverbands, dem NDR Niedersachsen.

In der Expertenrunde am Dienstag ist man sich einig: Es muss etwas passieren. Die Frage ist: was? Das Dialogforum "Weidetierhaltung und Wolf" soll hier Vorschläge erarbeiten. Im Februar hatte es eine erste Sitzung gegeben, am Dienstag traf sich das Gremium dann zum zweiten Mal.

Herdenschutz war in Niedersachsen bisher kompliziert

Jetzt gibt es zwei Vorschläge. Besonders beim Thema Geld soll vieles einfacher werden. Denn bisher ist es in Niedersachsen oft kompliziert und bürokratisch. Wenn beispielsweise ein Schäfer einen Herdenschutzzaun errichten und Fördermittel haben wollte, musste er mehrere Kostenvoranschläge einholen und anschließend abrechnen. Das soll sich jetzt ändern, zumindest sieht das ein Vorschlag aus dem Treffen vor.

Der Plan: Es gibt zukünftig pauschal einen Zuschuss pro Schaf, Ziege oder Gatterwild. Der Schäfer kann dann selbst entscheiden, ob er einen Zaun baut oder das Geld anderweitig verwendet. In Deichregionen könnten diese Fördergelder laut Meyer auch höher ausfallen. Für Pferde oder Rinder soll diese Regel zunächst nicht gelten. "Es ist keine Perspektive, das ganze Land zu umzäunen", sagte Landwirtschaftsministerin Staudte. Man erhoffe sich mit dieser veränderten Regel, den Bereich Herdenschutz zu entbürokratisieren.

Umweltminister Meyer will Druck bei EU und Bund machen

Doch was passiert, wenn der Herdenschutz auf dem Papier ausreichend ist, es aber trotzdem zu Wolfsrissen kommt? "Fakt ist, wir wollen den Wolf nicht wieder ausrotten, wir wollen aber auch der Weidetierhaltung helfen, die massiv unter Nutztierschäden leidet", sagte Minister Meyer. Der Staat müsse die Möglichkeit haben, einen Wolf einfacher zu entnehmen. Niedersachsen will sich nun beim Bund und der EU für ein regional unterschiedliches Wolfsmanagement einsetzen. Zukünftig könnte also in betroffenen Gebieten ein Wolf einfacher getötet werden. Bisher musste nachgewiesen werden, dass der Wolf schon mehrfach auffällig geworden ist. Anschließend durfte nur genau dieser eine Wolf abgeschossen werden.

Niedersachsen hat wenig Spielraum

Letztendlich hat Niedersachsen bei der Wolfspolitik nur einen geringen Spielraum. Die Entscheidungen über den Umgang mit Wölfen werden in Berlin und Brüssel getroffen. Umweltminister Meyer ist aber überzeugt, dass bei der nächsten Umweltministerkonferenz im Bund im November einstimmige Beschlüsse gefasst werden. Zuletzt gab es auch Bewegungen bei der Wolfspolitik in der EU. Wo es genau hingehen soll, ist aber noch unklar. Meyer sagte in Richtung Brüssel: "Ich will jetzt Lösungen haben." Bis es zur Umsetzung kommt, kann es aber noch dauern. Landwirtschaftsministerin Staudte hofft auf das Jahr 2025.

Viele Fragen sind weiter ungeklärt

Ist das zweite Treffen des Dialogforums "Wolf und Weidetierhaltung" jetzt also der große Durchbruch? Die beiden zuständigen Minister sprechen von einem Erfolg. Am Ende gibt es aber eher Absichtserklärungen - ein Zwischenschritt also. Zudem: Viele Fragen sind noch ungeklärt. Wie viel Geld gibt es für den Herdenschutz? Wann konkret darf ein Wolf entnommen werden? Wird wirklich Bürokratie abgebaut? Offenbar sieht auch Landwirtschaftsministerin Staudte noch viele offene Fragen. Sie sagte: Das Thema Wolf werde Niedersachsen wohl noch Jahrzehnte beschäftigen.

Weitere Informationen
Mehrere tote Schafe liegen in einem Anhänger. Sie sollen bei Gräpel (Landkreis Stade) durch einen Wolf oder Wölfe gerissen worden sein. © Kreisjägerschaft Stade

Ministerium bestätigt: Schafe in Gräpel von Wolf gerissen

Durch den Vorfall im Landkreis Stade starben 55 Schafe. Das Umweltministerium bestätigt: Es war ein Wolf. (12.09.2023) mehr

Ein Wolf steht im Freigehege im Tierpark Wisentgehege. © picture alliance/Holger Hollemann/dpa Foto: Holger Hollemann

Abschuss von Wölfen erleichtern: Landvolk reicht Lemke-Plan nicht

Wölfe sollten unabhängig davon, ob sie Weidetiere gerissen haben, entnommen werden können, meint der Landvolk-Vizepräsident. (04.09.2023) mehr

Wendelin Schmücker, Schäfer, geht mit seinen Schafen über eine Wiese. © picture alliance/dpa-Bildfunk Foto: Philipp Schulze

Urteil des OVG: Keine Waffe für Schäfer für die Wolfsabwehr

Auch in letzter Instanz ist der Schäfer aus dem Landkreis Harburg mit dem Antrag auf eine Waffe vor Gericht gescheitert. (01.09.2023) mehr

Ein Wolf in einem Wildpark-Gehege. © NDR Foto: Sven Glagow

Meyer will "Problemwölfe" ab 2024 leichter töten lassen können

Niedersachsens Umweltminister regt ein lernendes Wolfsmanagement an. Ein Bejagen nach Quoten lehnt Meyer ab. (06.07.2023) mehr

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 12.09.2023 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Wolf

Mehr Nachrichten aus Niedersachsen

Menschen gehen durch eine Stadt. © picture alliance/dpa Foto: Sina Schuldt

Niedersachsen hat weniger Einwohner als gedacht - das hat Folgen

Das Land bekommt dadurch weniger Geld vom Bund. Außerdem muss Niedersachsen mit Rückzahlungen in Millionenhöhe rechnen. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?