"My Roots" in der Mediathek: Auf Spurensuche nach den eigenen Eltern
In der neuen NDR Doku "My Roots" geht es um die Frage: Wer ist meine leibliche Mutter, wer mein Vater? Die Filmemacher haben vier Menschen fast ein Jahr lang auf dieser Spurensuche begleitet. Ein Gespräch mit Johannes Middelbeck, einem der Filmemacher.
Wie müssen wir uns diese Suche genau vorstellen?
Johannes Middelbeck: Wir haben diese Menschen tatsächlich fast ein Jahr begleitet. Diese Suche ist einerseits eine Spurensuche, die viele Telefonate mit sich bringt, teilweise aber auch Reisen, die die Protagonist*innen bis nach Kolumbien führen. Andererseits ist es aber auch eine sehr emotionale Suche - und das ist auch eines der großen Themen dieser Doku-Serie -, die am Ende eine Suche nach der eigenen Identität ist, mit der sich viele identifizieren können.
Was hat denn den Leuten gefehlt, ohne das Wissen um ihre Eltern?
Middelbeck: Was allen Leuten gefehlt hat, ist eine Art vollständige Erzählung über ihr eigenes Leben, eine Gewissheit: Wer bin ich? Wo komme ich her? Und was haben meine Eltern damit zu tun? Alle diese Protagonistinnen und Protagonisten tragen dieses diffuse Gefühl dieser Leerstelle ihr ganzes Leben mit sich herum. Aber interessant ist, dass für alle die Geburt der eigenen Kinder zu einer Art Schlüsselerlebnis wird: Wer will ich für meine Kinder sein? Und um das rausfinden zu können, muss ich wissen, wer eigentlich die Person war, die sich entschieden hat, mich wegzugeben.
Haben die Menschen das rausfinden können?
Middelbeck: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Menschen in dieser Doku-Serie, die tatsächlich fündig werden und das erste Mal in ihrem Leben ihre Mutter oder ihren Vater in den Arm nehmen. Es gibt aber auch Menschen, bei denen diese Suche am Ende zumindest nicht damit endet, dass sie diese Person finden.
Wurden mit dem Finden auch die Erwartungen erfüllt, oder war das im Nachhinein auch enttäuschend?
Middelbeck: Man kann erst einmal sagen, dass alle diese Protagonistinnen und Protagonisten auf eine Art bereichert wurden von dieser Suche, auf die sie sich begeben haben und alle daran gewachsen sind. Die ganz konkreten Erwartungen an dieses Treffen oder an diesen unbekannten Menschen wurden nicht immer erfüllt, was auch nachvollziehbar ist, weil alle diese Menschen teilweise fast 40 Jahre ihres Lebens hatten, um eine Erwartung an diese Person, an dieses Zusammentreffen aufzubauen. Wir haben sie auch ganz am Anfang der Filmarbeiten nach diesen Erwartungen gefragt und dabei gemerkt, dass die ein ganz konkretes Bild davon haben. Diese Leerstelle wurde bis ins letzte Detail gefüllt, und ich glaube, dass das etwas ist, was sehr schwer ist, auf die Realität zu legen.
Bereicherung womöglich allein durch die Tatsache, dass man es versucht hat und dann vielleicht besser damit abschließen kann - auch wenn man nicht fündig geworden ist?
Middelbeck: Total. Ich glaube, alle diese Protagonistinnen und Protagonisten haben am Ende nicht nur nach dieser einen Person gesucht, sondern auch nach ihrer eigenen Identität. Es gibt da einen Schlüsselsatz, den Elisa, eine der Protagonistinnen, am Ende sagt: "Ich dachte die ganze Zeit, das ist die Suche nach einer Person. Am Ende ist es aber vielleicht die Suche nach mir." Ich glaube, dass das etwas ist, was alle im Laufe der Dreharbeiten auch gemerkt haben: dass es mehr ist, als einfach nur diese eine Person am Ende zu treffen.
Du hast das die ganze Zeit über begleitet. Hast Du Dir selber auch noch einmal mehr Gedanken über die eigene Familie, die eigenen Wurzeln gemacht?
Middelbeck: Das, was ich am inspirierendsten fand, war der Mut, den alle diese Protagonist*innen aufgebracht haben, Fragen zu stellen. Ich selbst komme aus relativ klaren familiären Verhältnissen; und trotzdem weiß ich - das verbindet, glaube ich, alle Familien -, was alles in Familien unausgesprochen bleiben kann. Diese vier Menschen haben es geschafft, das Unausgesprochene auszusprechen und den Mut aufgebracht, sehr viele und teilweise auch schwere Fragen ihren sozialen Eltern zu stellen. Das ist etwas, was ich sehr inspirierend fand.
Das Interview führte Jan Wiedemann.