"Meet a Jew": Vorurteile abbauen durch Begegnung an Schulen
Aktuelles jüdisches Leben in Deutschland aus erster Hand kennenzulernen, das ist die Idee hinter dem Projekt "Meet a Jew". Die Treffen organisiert der Zentralrat der Juden in Deutschland. NDR Kultur hat einen Besuch in einer siebten Klasse der Goetheschule in Hannover begleitet.
"Hi, ich bin Merle und ich bin 32 Jahre alt. Ich studiere Medizin und ich bin Jüdin. Es ist mir wichtig zusagen: Es gibt keine blöden Fragen, auch keine zu persönlichen Fragen. Ihr müsst wirklich keine Hemmungen haben." Mit dabei ist auch die 21-jährige Klara, sie ist auch Jüdin und wie Merle im Dialog-Team.
Die Schülerinnen und Schüler an der hannoverschen Goetheschule fragen interessiert nach, ob die beiden denn auch koscher kochen und essen, welche jüdischen Feiertage sie am liebsten mögen und wie andere Menschen auf sie als Jüdinnen reagieren. "Man merkt, dass es den Menschen unangenehm ist", erzählt Merle, "weil sie nicht wissen, wie man darauf antwortet. Ich weiß nicht, was in den Köpfen passiert, ob sie dann vielleicht an den Holocaust denken. Das merke ich schon, dass es ihnen unangenehm ist. Ich bin oft die erste Jüdin, die man bewusst kennenlernt."
"Meet a Jew": Dialog als Weg zur Verständigung
Es gehe auch um das Thema Antisemitismus, berichtet Klara von ihren Erfahrungen als Schülerin. In der achten und neunten Klasse sei sie gemobbt worden, nur weil sie Jüdin ist. Sie habe sich von Mitschülern wie von Lehrkräften alleingelassen gefühlt. Deshalb ihr Appell: "Seid aufmerksam: Antisemitismus ist nicht erst schlimm, wenn Jüdinnen und Juden angegriffen werden."
Auf die Frage einer Schülerin, wie sie die Judenfeindlichkeit seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober wahrnimmt, antwortet die 21-Jährige: "Der Antisemitismus kommt aus allen Ecken wieder. Das sind Milieus und unterschiedlichste Gruppen, die sich bei so wenig einig werden, was ihren Menschenhass angeht, aber bei Jüdinnen und Juden kommen sie dann zusammen."
Klara weiß natürlich, dass auch die zwölfjährigen Schülerinnen und Schüler oft auf sozialen Plattformen wie TikTok, Instagram und Co. unterwegs sind. Deshalb wendet sie sich an die Jugendlichen: "Verbreitet am besten Sachen nicht einfach so, ohne den Kontext zu kennen, ohne zu wissen, sind das Informationen oder ist das Meinungsmache."
Hamas-Anschläge am 7. Oktober haben Perspektive verändert
Im November musste erstmals eine Begegnung von "Meet a Jew" gestrichen werden. Die Schule hatte den Termin abgesagt, weil das Klima gerade bei der muslimischen Schülerschaft emotional aufgeladen war. Trotz dieser Absage betont Merle: "Ich möchte klar sagen, dass der Antisemitismus nicht nur aus einer muslimischen Ecke kommt. Das ist ein Wegschieben eines Problems. Antisemitismus kam immer aus allen Bereichen der Gesellschaft."
Klara und Merle machen auch deutlich, wie sehr sich ihr Leben und ihre Perspektive seit dem 7. Oktober verändert hat. Merle hat eine zweijährige Tochter. Um sie kreisen ihre Sorgen: "Das sind schon Sachen, wo mein Freund und ich gerade im letzten Monat täglich darüber geredet haben, wie unsere Zukunft hier aussieht und die Zukunft der Tochter hier aussieht."
Projekt für Schulen, Jugendgruppen, Unis und Sportverbände
Dennoch gehen Merle und Klara mit dem "Meet a Jew"-Projekt" weiterhin in Schulklassen, um Vorurteilen vorzubeugen und die Schüler zu ermutigen. "Seid couragiert", sagt Klara. "Habt Zivilcourage. Das wäre mein Appell an euch."
Bei Helene ist der Appell angekommen. Die Schülerin aus Hannover meint: "Bei jeder Form von Diskriminierung sollte man dazwischen gehen. Ich würde da auch dazwischen gehen." Das Projekt "Meet a Jew" richtet sich nicht nur an Schulen, sondern auch an Jugendgruppen, Sportverbände und Universitäten. Für die Teilnehmer ist es kostenlos.