Eine Frau spielt Klavier © picture alliance / Shotshop | Antonio Gravante
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AUDIO: Machtmissbrauch an Musikhochschulen: "Als strukturelles Problem anerkennen" (6 Min)

Machtmissbrauch an Musikhochschulen: "Als strukturelles Problem anerkennen"

Stand: 11.04.2024 14:38 Uhr

Studierende erheben schwere Vorwürfe gegen Musikhochschulen: 600 Beispiele für Machtmissbrauch in Österreich, Deutschland und der Schweiz haben sie zusammengetragen. Ein Interview mit Nele Kruska, die Teil der Initiative gegen Machtmissbrauch an Musikhochschulen ist.

Studierende haben ihren Kommilitonen in einer Online-Umfrage die Möglichkeit gegeben, sich anonym zu äußern, von Situationen zu berichten, über die sie womöglich nicht öffentlich und auch an ihrer Hochschule nicht sprechen würden. Teils aus Sorge, damit ihre Karriere aufs Spiel zu setzen, heißt es. Nele Kruska ist Teil einer entsprechenden deutschlandweiten Initiative gegen Machtmissbrauch an Musikhochschulen. Sie selbst studiert Klarinette in Würzburg.

Frau Kruska, was ist aus Ihrer Sicht das zentrale Ergebnis dieser Umfrage?

Nele Kruska: Die Umfrage spiegelt das Klima wider, was in den Hochschulen herrscht. Wie wir in unserem Forderungskatalog schreiben oder wie es auch im Präambel der Umfrage steht, ist es keine Generalanfeindung an die Hochschulen, keine Verallgemeinerung des Lehrkörpers. Aber es ist das, was wir in privaten Gesprächen mit Kommiliton*innen, mit Dozierenden und Lehrkräften immer wieder hören, dass es Fälle von Machtmissbrauch gibt, gegen die endlich Maßnahmen ergriffen werden müssen.

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Was sind da Beispiele, die besonders negativ herausstechen?

Kruska: Es sind ganz unterschiedliche Situationen. Wir haben Beispiele, wo ein Kommilitone eine Unterrichtsstunde lang mit verbundenen Augen spielen musste und aus verschiedenen Ecken des Raumes angeschrien, berührt und unter sehr großen psychischen Druck gesetzt wurde. Wir haben jahrelange Beleidigungen und Anfeindungen, wir haben auch Fälle von sexuellem Missbrauch.

Man hat auf der einen Seite eine Erstsemster-Studentin - auf der anderen Seite jemanden mit Weltkarriere als Lehrperson. Ist es da womöglich so, dass Studierende denken: Okay, das ist hier halt so?

Kruska: Ja, das ist definitiv so. Man ist gerade 18 geworden, man kommt aus dem Abitur und ist voller Erwartungen, freut sich erstmal, einen Platz bekommen zu haben. Diese Plätze sind heiß begehrt: Da bewerben sich 50 Leute auf drei Studienplätze, wenn es hochkommt. Da ist es natürlich ein besonderer Ausnahmefall, wenn man dann einen Platz bekommt. Dann möchte man den auch behalten. Oft ist es so, dass man erst Jahre später merkt, dass das, was passiert ist, vielleicht doch nicht normal war. Dass man in den Ferien, sonntags oder an Feiertagen zum Unterricht kommen muss, sich ständig Zeit freihalten muss, sich verbale Anfeindungen anhören muss. Das ist ganz oft so, dass die Leute sehr verunsichert und verängstigt sind. Das sind Koryphäen und sie haben Kontakte in die Berufswelt, in die Orchester, da, wo man hin möchte. Im schlimmsten Fall können Sie einem das Leben zur Hölle machen. Da sagt man erstmal nichts. Es sind diese Grauzonen, über die wir sprechen, über die auch gesprochen werden muss. Es kommt immer wieder die Frage: Wann fängt Machtmissbrauch eigentlich an? Das ist ein großer Bereich unserer Arbeit: zu gucken, wo diese Grauzone anfängt.

In dieser Umfrage gab es viele aktuelle Beispiele, aber zum Teil auch ältere. Hat sich aus Ihrer Sicht schon etwas zum Guten gewandelt?

Kruska: Man merkt, dass Bewegung reinkommt. Wir merken in den Hochschulen, dass die Hochschulleitungen empfänglicher sind, wenn wir Anfragen schicken, wenn wir um Gespräche bitten. Wir hatten bei uns in der Hochschule jetzt die Tage der Vielfalt, bei denen es viel um dieses Thema ging. Wir merken, dass es ins Rollen kommt, dass es eine gewisse Aufmerksamkeit auf dieses Thema gibt. Aber ich glaube, bis es wirklich zu Umsetzungen von Forderungen kommt, dauert es noch etwas länger. Es ist zwar schleppend, aber es kommt so langsam ins Rollen.

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Vieles passiert durch die Hochschulen, durch die Dozierenden, es gibt also auch jede Menge Positivbeispiele, richtig?

Kruska: Ja. Es ist auch immer die Frage, wie die Lehrkräfte ausgesucht werden. Setze ich als Hochschule darauf, pädagogische Fachkräfte zu holen oder große Namen? Wie die Lehrkräfte ausgesucht werden, ist auch ein ganz komisches Verfahren: Es kann mir niemand sagen, dass es reicht, eine halbe Stunde vorzuunterrichten - und danach gibt es keine pädagogischen Kontrollen mehr. Die Frage ist, wie man das kontrollieren wollen würde. Zum einen durch Evaluationen, aber vielleicht auch durch andere Verfahren. Manche Hochschulen machen sich dazu auch schon Gedanken. Aber das ist auch die Frage der Hochschule: Wen holt man sich ins Haus?

Was ist Ihre zentrale Forderung?

Kruska: Einer unserer wichtigsten Punkte ist, Machtmissbrauch als strukturelles Problem anzuerkennen. Dann geht es in die detaillierten Punkte. Ganz oben steht die Lehrerevaluation, eine stetige Qualitätskontrolle der Hochschulen, und die Frage: Welche Beratungsangebote, welche Fortbildungsngebote für Dozierende, für Lehrkräfte haben wir? Wir haben immer wieder Personen, die zu uns kommen und sagen: Ich verstehe, was ihr meint, aber manchmal weiß ich gar nicht, wann ich zu weit gegangen bin. Da gäbe es zum Beispiel die Unterstützung von Mentaltraining oder einem Kommunikationstraining. Dass Beschwerdestellen besser erreichbar sind, dass wir externe Beschwerdenstellen haben. Das sind die wichtigsten Punkte für uns.

Das Interview führte Jan Wiedemann.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 11.04.2024 | 09:40 Uhr

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