Häusliche Gewalt: Zwischen den Jahren besonders heftig
Nach Weihnachten werden besonders viele Männer gewalttätig gegen ihre Frauen und Kinder. Doch viele Fälle häuslicher Gewalt bleiben im Dunkeln, da die Betroffenen keine Anzeige erstatten. Ein weiteres Problem sind fehlende Plätze in Frauenhäusern - etwa in Hamburg.
Ein unscheinbarer Hauseingang in einer Hamburger Seitenstraße. Petra Schlesiger öffnet die Bürotür im obersten Stock. Sie ist Sozialpädagogin und arbeitet seit 25 Jahren in einem Hamburger Frauenhaus. Die Feiertage und die Zeit zwischen den Jahren verschärfen in Schlesigers Augen eine angespannte Situation. Gewalttäter hätten dann schlicht mehr Gelegenheit, ihre Frauen und Kinder zu terrorisieren. "Die Partner sind zu Hause, falls sie sonst arbeiten", so die Sozialpädagogin. "Dann kommt es natürlich zu Reibereien - und wenn er Gewalttäter ist, schlägt er eben auch zu."
Betroffene werden oft von Ex-Partnern verfolgt
Schlesiger begleitet Frauen und Kinder, die aus akuten Gewaltsituationen fliehen müssen. Sie ist 62 Jahre alt und hat in ihrem Beruf schon viel erlebt. Betroffene Frauen werden oft von ihren Ex-Partnern verfolgt. Schlesiger hilft ihnen, ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Das bedeutet: neue Wohnung, neuer Arbeitsplatz, neue Kita-Plätze für die Kinder. In dem Haus, in dem Schlesiger arbeitet, gibt es 61 Langzeit- und zusätzlich noch sieben Notfall-Plätze. "2024 haben sich das ganze Jahr über viele Frauen gemeldet", sagt Schlesiger. "So viele Plätze es in Hamburg auch gibt - es sind leider zu wenig. Wir sind immer belegt und müssen nach außerhalb vermitteln."
Knapp 250 Plätze gibt es in Hamburgs Frauenhäusern. Nach Kriterien des Europarats zum Schutz von Frauen müssten es rund 200 mehr sein. Viele Frauen, die Gewalt erleben, halten diese über einen langen Zeitraum aus. Schlesiger erinnert sich an eine Frau, die bei ihr im Frauenhaus nach Jahren in einer gewaltvollen Ehe Schutz suchte. "Durch diese ständige und langanhaltende Gewaltanwendung ist sie krank geworden", berichtet die Sozialpädagogin. "Sie konnte nicht mehr richtig sehen, war deswegen im Krankenhaus. Dort hat sie ihrem Partner gesagt, dass sie die Scheidung will. Sie wollte nicht zurück - und hat dann den Weg ins Frauenhaus gefunden."
Häusliche Gewalt: Zahlen steigen seit fünf Jahren
Seit fünf Jahren zählt das Bundeskriminalamt jedes Jahr mehr Fälle von häuslicher Gewalt. Demnach erlebt in Deutschland alle drei Minuten eine Frau oder ein Mädchen Gewalt in ihrem eigenen Zuhause. Das statistische Bild bleibt jedoch unvollständig, da viele Betroffene nie eine Anzeige erstatten.
Hamburg-Ottensen. In einem Hinterhof befindet sich die Beratungsstelle Patchwork. Hier meldeten sich im vergangenen Jahr mehr Betroffene - rund 20 Prozent mehr als im Jahr davor. Die Leiterin Annette von Schröder erklärt: Diejenigen, die hier Hilfe suchen, schwebten überwiegend nicht in Lebensgefahr.
Wenn der Mann das Handy kontrolliert
Bei Patchwork zeigt sich, dass es häusliche Gewalt gibt in ganz unterschiedlichen Formen gibt. Manche Betroffene erkennen sie zunächst gar nicht. Von Schröder nennt Beispiele: "Ist es Gewalt, wenn mein Mann mich sehr stark kontrolliert, wenn er auf mein Handy guckt, wenn er sehr eifersüchtig ist? Wenn ich ihm ein Foto aus dem Supermarkt schicken muss, weil er nicht weiß, wo ich bin?" Die Patchwork-Leiterin stellt klar: "Natürlich ist das Gewalt, auch wenn hier keiner zuschlägt."
Angehörigen und Außenstehenden empfiehlt die Beraterin: Wer akute Gewalt mitbekommt, etwa in der Nachbarwohnung, der solle unbedingt die Polizei rufen. Wer den Verdacht hat, dass eine Freundin oder Verwandte häusliche Gewalt erlebt, solle vor allem ein offenes Ohr anbieten. Sich professionelle Hilfe zu suchen, sei der schwerste Schritt. Den Willen dazu müssten Betroffene eigenständig entwickeln.
Das bundesweite Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" ist ein Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer (0800) 01 16 016 und via Online-Beratung werden Betroffene an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr unterstützt.