Günther im Berghain: Wie ein 79-Jähriger Influencer wurde
Durch einen Zufall entdeckte Günther Krabbenhöft die Sozialen Medien für sich und ist seither Deutschlands coolster Rentner. 290.000 Menschen verfolgen auf Instagram, wie er durch die Berliner Clubs zieht.
Günther Krabbenhöft ist 79 Jahre alt, Stil-Ikone und dank Social Media bekannt als coolster Rentner Deutschlands. "Früher habe ich immer meiner Tochter gesagt: Kannste mal die Bässe rausnehmen? Irgendwie… geht mir ja die Fontanelle hoch. Heute weiß ich, dass das so krachen muss. Das muss wabern und deine Eingeweide suchen sich einen neuen Platz."
290.000 Follower auf Instagram
Die Bässe und das Wabernde findet der Granfluencer unter dem Techno-Himmel Berlins. Stets mit Hut, Fliege und Weste tanzt er sich durch die Partys der Hauptstadt. Und durch das Netz: Auf allen Kanälen. Auf der Social-Media-Plattform Instagram folgen ihm fast 290.000 Menschen. "Ohne das wäre das alles nicht passiert, würden wir jetzt hier wahrscheinlich nicht stehen", sagt Günther. Am U-Bahnhof Kottbusser Tor fing vor neun Jahren alles an. Ein Tourist bittet ihn damals um ein Bild und postet es auf Facebook. Als im Netz bekannt wird, das Günther auch gern feiern geht, ist das Image vom "Hipster-Opa" perfekt. Heute postet er selbst Stories von seinen Partys - in den angesagtesten Locations der Stadt. "Ich hatte tatsächlich, man glaubt es kaum, mal eine Schere im Kopf, die gesagt hat: Wenn du da hingehst und dann sagen die Leute zu dir, diese Jungen, die da alle tanzen: Was will denn der Alte hier? Dann ist unsere Party zu Ende. Der kriegt gleich einen Herzkasper."
Einladung ins Berghain
Doch dann sprechen ihn zwei junge Frauen an und laden ihn in Berlins wildesten Techno-Club Berghain ein: "Ich war am Staunen und habe dann acht Stunden lang getanzt und bin dann irgendwie total beseelt und beglückt wie ein Luftkissenboot zehn Zentimeter über der Erde nach Hause geschwebt und habe gedacht: Wie geil war das denn?!" Seitdem schwebt er jeden Sonntag. Wenn nicht im Club, dann auf den Straßen Berlins.
Fröhliche Maske des Techno-Opas mit verborgenen Narben
Geboren wurde Günther Krabbenhöft im Juli 1945 im niedersächsischen Hildesheim. Im Jahr 1968 kommt er ins geteilte Berlin. Als junger Mensch ist er ein Suchender - fragt sich nach seinem Platz im Leben. Heiratet erst, hat dann sein Coming-Out. Nach der Trennung entscheidet sich die Tochter, beim ihm zu bleiben.
Hinter der fröhlichen Maske des Techno-Opas, verbergen sich auch Narben. "Manchmal schaut man wirklich in Abgründe und ist verzweifelt und hat auch so ein Gefühl, man wäre alleine mit seinen Gedanken und mit seiner Traurigkeit und mit seiner Hilflosigkeit. Aber das herauszufinden, seinen Standpunkt: Wer will ich sein? Wer bin ich? Welchen Weg will ich gehen? Das ist ein lebenslanger Prozess."
Günthers Credo: Sich von Normen befreien
Das Leben feiern ohne dabei die Vergänglichkeit zu vergessen. Denn wenn man die eigenen Probleme von oben betrachtet, dann werden die meist ganz klein. "Na gut, das kann ich mir später noch lange genug ansehen, alles von oben", sagt Günther lächelnd.
Sich von Normen und Konventionen befreien. Sein eigenes Ding machen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Egal, wie alt man ist und was andere über einen denken, das ist Günthers Credo: "Manchmal, ganz ganz selten, sagen auch die Leute: 'Ey, kannst du nicht sein einfach wie ein Großvater?!' Und dann denke ich: Das bin ich ja. Aber ich bin eben nicht der Großvater, der zu Hause auf dem Sofa sitzt und wartet, bis die Kinder, Enkelkinder, ihn besuchen. Ich habe mein eigenes Leben jetzt wieder."
Was ist Glück? Und wo finden wir es?
Günther Krabbenhöfts Message auch an jüngeren Follower: "Glücklichsein ist eine Entscheidung. Wenn ich immer darauf warte, dass das Glück von außen kommt, also dass man mich glücklich macht - ich bin dafür zuständig, nur ich alleine", sagt er. "Auch wenn die Leute alt sind, sage ich: Du kannst eigentlich nur glücklich sein, wenn man seine Endlichkeit begreift, und dann weißt du, wie kostbar das ist. Da werde ich doch nicht mit schlechter Laune oder mit schlechten Gedanken mein Leben füllen. Das will ich nicht. Das tut … das tut einem nicht gut", sagt Günther und stampft seinem Stock auf den Boden.