Gesetzentwürfe zur Suizidhilfe gescheitert: "Keine Katastrophe"
Zwei Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidbeihilfe fanden am Donnerstag im Bundestag keine Mehrheit. Ein Gespräch mit Professor Helmut Frister vom Deutschen Ethikrat.
In einem Grundsatzurteil hat das Bundesverfassungsgericht vor drei Jahren das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ausdrücklich anerkannt. Dieses Recht, sich selbst zu töten, umfasst auch die Freiheit, sich dafür Hilfe zu holen bei Dritten. Doch welche Regeln sollen für die Sterbehilfe gelten? Darüber wollte der Bundestag eine ausgewogene Lösung finden, die einerseits die Autonomie des Einzelnen gewährleistet und andererseits das Leben schützt. Es war eine Gewissensentscheidung wie zuletzt die Abstimmung über die allgemeine Impfpflicht - also nicht entlang von Parteigrenzen und ohne Fraktionsdisziplin. Zwei Vorschläge standen zur Abstimmung: begrenzte Straffreiheit und generelle Straffreiheit. Doch beide Entwürfe haben im Bundestag keine Mehrheiten gefunden. Das heißt: Hilfe bei der Selbsttötung wird in Deutschland weiterhin nicht gesetzlich geregelt.
Herr Frister, nun hatte der Ethikrat ausdrücklich und ganz bewusst keine Empfehlung für die eine oder andere Option abgegeben und die Gesetzesvorlagen nicht bewertet. Aber jetzt, da abgestimmt wurde: Wie bewerten Sie diese Nicht-Entscheidung?
Helmut Frister: Ich bin nicht glücklich über diese Entscheidung, obwohl ich sie ehrlich gesagt so erwartet hatte. Das war irgendwie absehbar. Meines Erachtens wäre es schon gut gewesen, eine gesetzliche Regelung zu haben, aber es ist keine Katastrophe, dass wir keine haben. Es ist auch nicht sinnvoll, auf eine neue gesetzliche Regelung zu warten, sondern man muss mit der geltenden Rechtslage leben. Diese geltende Rechtslage ist dadurch charakterisiert, dass Hilfe zum Suizid grundsätzlich erlaubt ist - und zwar sowohl strafrechtlich als auch berufsrechtlich für die Ärzte. Voraussetzung ist aber, dass die Freiverantwortlichkeit der Entscheidung sorgfältig überprüft wird.
Hilfe bei der Selbsttötung bleibt also in Deutschland grundsätzlich erlaubt, birgt aber teilweise weiterhin rechtliche Unsicherheiten. Was heißt das für Sterbewillige?
Frister: Für Sterbewillige besteht das praktische Problem vor allem darin, einen Arzt zu finden, der Hilfe zur Selbsttötung leistet, weil die meisten Ärzte dem doch eher ablehnend gegenüberstehen. Selbstverständlich kann niemand, auch kein Arzt, dazu verpflichtet werden, Hilfe zur Selbsttötung zu leisten. Das ist aber ein Problem, dem auch die Gesetzentwürfe nicht beziehungsweise nur auf relativ schwierigen Wegen hätten abhelfen können. Das ist das faktische Problem, was wir haben. Aber rechtlich ist es derzeit erlaubt, und zwar auch Ärzten.
Also ist kein Arzt oder keine Ärztin gezwungen, Sterbehilfe zu leisten - das kann jeder oder jede frei entscheiden, richtig?
Frister: Ja, so ist es.
Das Interview führte Philipp Cavert. Das vollständige Interview können Sie weiter oben auf dieser Seite nachhören.