Frauen und Mädchen in der Wissenschaft: Wie Gleichberechtigung schaffen?
Frauen in der Forschung sehen sich mit vielen Hürden konfrontiert. Am Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft stellt sich die Frage: Wie lassen sich diese Missstände überwinden?
Mädchen und Frauen in der Wissenschaft stehen vor vielen Fragen: Welche Berufschancen habe ich? Wie präsentiere ich mich in Fachkreisen? Wie gehe ich mit dem Gender Pay Gap um? Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Familiengründung? Doch gibt es auch befriedigende Antworten?
Prekären Arbeitsverhältnisse in Forschung und Wissenschaft
Die Fakten lesen sich so: Mehr als die Hälfte aller Studienabschlüsse in Deutschland werden von Frauen erreicht. Selbst bei den Promotionen sind die Autorinnen noch zu 45 Prozent weiblich. Doch dann kommt der Bruch: Laut Hochschulrektorenkonferenz ist nur jeder vierte Lehrstuhl einer deutschen Hochschule mit einer Frau besetzt. Dieser Missstand ist auch der noch jungen rot-grünen niedersächsischen Landesregierung aufgefallen. Ihr Ziel: Mehr Professorinnen für Niedersachsen. Im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen heißt es wörtlich: "Zur Stärkung von Chancengleichheit und Diversität wollen wir die Hälfte der Professuren und der Leitungsfunktionen mit Frauen besetzen, uns für Diversität in Führungspositionen einsetzen, familienfreundliche Karrierewege ermöglichen sowie den Gender-Pay-Gap schließen."
Das sind tolle Vorhaben, nur: Wie kann man sie umsetzen? Die Gründe, warum so wenig Frauen in wissenschaftliche und technische Berufe gehen, sind nämlich vielfältig. Stichwort Gender Pay Gap: Frauen werden immer noch schlechter bezahlt als Männer. Das belegen mehrere Studien. Die prekären Arbeitsverhältnisse in Forschung und Wissenschaft - also Kettenverträge, unsichere Berufsaussichten - sind nicht familienfreundlich.
Es mangelt an Sichtbarkeit und weiblichen Vorbildern
"Wenn Sie sich überlegen, wie kommen Sie in die Spitzenpositionen in der Wissenschaft? Da müssen Sie erst durch die ganze Phase der Unsicherheit, bis dann eine Stellenperspektive da ist. Das ist die erste Stellschraube. Ich glaube, wir brauchen früher Sicherheit. Für mich persönlich ist die Antwort darauf die Juniorprofessur", sagt Susanne Menzel-Riedl, Professorin für Biologiedidaktik und erste Präsidentin der Uni Osnabrück. "Das Zweite ist aber die ganze Berufungs-Kultur. Worauf ist so ein Berufungsverfahren ausgelegt? Auf Selbstdarstellung. Sie müssen Ihre Unterlagen aufhübschen, Sie müssen Ihre Meriten dort schamlos ausbreiten und dann natürlich auch den entsprechenden Auftritt hinlegen", so Menzel-Riedl weiter.
Nicht unbedingt Dinge, die Frau gut kann. Darum werden Frauen auch oft nicht richtig gesehen - das zeigt die Erfahrung von Susanne Menzel-Riedl: Sie sitzt in einer Konferenz, bringt eine Idee ein und dann, wenig später, kommt ein Kollege mit der genau selben Idee nochmal und wird dafür beglückwünscht. Sie musste lernen, sich bewusst nochmal ins Spiel zu bringen, erzählt die Professorin: "Man muss die Augen sehr offen haben, wach sein und mitkriegen: Wo treten jetzt wieder subtile Muster zutage, die mir meine Stimme oder meine Präsenz nehmen."
Apropos Sichtbarkeit: Es fehlt auch an weiblichen Vorbildern, sagt Antje Boetius, Meeresbiologin und Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven: "Frauen, die da draußen sind, die die Fantasie von Mädchen und Frauen ausfüllen - ach, ich könnte das auch, das würde mir Freude machen, das zu sein -, das fehlt immer noch auch in den Medien, in Filmen, in Funk und Fernsehen brutal: Viel zu wenig Rollenmodelle."
Wie die Hürden überwinden?
Wie lassen sich all diese Hürden überwinden? Natürlich gibt es einige Förderprogramme, es gibt Netzwerke und Initiativen zur Chancengerechtigkeit von Frauen. Und auch ein Professorinnenprogramm der GWK, der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz: Hochschulen erhalten eine Anschubfinanzierung, wenn sie zum ersten Mal eine Wissenschaftlerin auf eine Professur berufen. Eigentlich müssten aber bereits bei der Suche nach Bewerberinnen gezielt Frauen gefragt werden - das fordert die Hochschulrektorenkonferenz.
Antje Boetius verfolgt noch einen anderen Ansatz: Junge Frauen wollen immer wissen, warum sie etwas tun, wozu das Wissen dient, was sie mit ihrem Beruf beitragen können. Viele Studiengänge klingen aber allzu abstrakt: Umwelttechnik, Physik des Erdsystems, Mathematische Modellierung, Informationstechnologie, Ingenieurswissenschaften. Diese Namen müssten mit Leben gefüllt und an konkreten Beispielen erklärt werden, ist Antje Boetius überzeugt: "Dafür mehr Reklame zu machen, Frauen zu zeigen: Das passt zu euch, so ein Profil. Das scheint mir nach all dem, was ich gelesen und gesehen habe, einer der wesentlichen Schlüssel." Susanne Menzel-Riedl ergänzt: "Geschlechtergerechtigkeit im Wissenschaftssystem können Männer und Frauen nur gemeinsam anpacken. Das darf nicht zum Frauenthema kleingemacht werden!"