"Das Dorf Ding": Bürger-Engagement in Bad Grund
Bad Grund hatte mal viel: Bergbau, Kurbad und Wintersport. 300 Bewohner engagieren sich gemeinschaftlich, um das Dorf wieder lebenswerter zu machen. Julia Westlake hat sie besucht und sich zeigen lassen, was sie alles für ihren Ort tun.
Bad Grund im Harz: ein alter Ort mit vielen Herausforderungen. Die Initiative "ZukunftsBergstadt" will sie angehen. Das größte Problem: Der Ort lebte vom Bergbau - doch den gibt es seit 1992 nicht mehr. "Hilfe Gottes" hieß die Grube. Zink und Silber wurden in dem 2.000-Seelen-Ort schon seit 500 Jahren gefördert - bis es zu teuer wurde. Hunderte Arbeitsplätze gingen verloren, viele wanderten ab, Läden und Schulen schlossen.
"Das sind praktisch die letzten Grubenwagen, die 1992, als die Grube dichtgemacht hat, aus dem Bergwerk geborgen wurden. Die stehen nicht nur hier - die stehen überall im Ort", erzählt Andreas Lehmberg von der Initiative "ZukunftsBergstadt". "Das zweite Standbein ist seit Ende des 19. Jahrhunderts der Tourismus, der Fremdenverkehr: sich heilen lassen, ein Kurort mit Kurkliniken, mit langen Aufenthalten, mit Wandelhallen und Kurhaus." Darin wurde lange investiert, aber weil kaum noch Kuren verschrieben werden, mussten die Einrichtungen schließen.
Initiative "ZukunftsBergstadt" blickt in die Zukunft von Bad Grund
"Die 'ZukunftsBergstadt' ist aus einer Zukunftswerkstatt 2018 entstanden, deswegen auch dieses Wortspiel", sagt Lehmberg. "Wir haben über 300 Leute im großen Veranstaltungshaus im Atrium zusammengeholt und mit denen überlegt: Was will man in der Zukunft machen? Richtig als Werkstatt mit Zettel und Punkte kleben. Da sind diverse Projekte heraus gekommen." Wie am Albertturm, einem nahen Aussichtsturm, wo der Harzklub sich um die alte Wald-Gaststätte kümmert.
Die Ehrenamtlichen pflegen sonst Wanderwege und Schutzhütten, hier wollen sie Tourismus-Substanz retten, erklärt Klaus Heberle vom Harzklub: "Das wird später mal der Saal, also der Hauptgastraum, wenn er fertig ist. Wir haben die Wände und die Decke isoliert und teilweise Balken ersetzen müssen. Wir haben neue Fenster eingebaut und den Strom neu gemacht. Das war auf dem Stand der 1960er-Jahre. Jeden Samstag sind wir immer so zwölf bis 15 Leute - und das seit zwei Jahren." Alles ehrenamtlich!
Das Dorf wieder mit Leben füllen
Ein Ausflugsziel mit guter Aussicht ist natürlich noch nicht alles. Es braucht Leben im Zentrum von Bad Grund. Auch das wird angegangen: Einmal im Monat findet ein Markt statt. "Das ist im Endeffekt eine Initiative, die auch eine Projektgruppe aus der Zukunftswerkstatt war, die gesagt hat: Wir wollen einen Markt wieder regelmäßig etablieren. Aber nicht als klassischen Wochenmarkt, wo man nur einkaufen kann, sondern wo man sich auch treffen kann, sich hinsetzen kann", erzählt Lehmberg. "Wir haben da immer Kaffee und Kuchen, der selbst gebackenen wird. Wir haben mit dieser Initiative versucht, mehr Leute zu gewinnen, die sich im klassischen Vereinsleben - mittlerweile ist das ja auch eine Generationenfrage - nicht mehr so engagieren oder engagieren wollen, auch aus Zeitgründen."
Am Marktplatz hat eine Bürgergenossenschaft ein altes Haus gekauft, um es wieder als zentrales Gebäude mit Leben zu füllen - im oberen Teil mit Ferienwohnungen. Alles auf eigene Kosten, alles ehrenamtlich. Dafür braucht es viele helfende Hände - je mehr desto besser, findet Dagmar Thomas von der Bürgergenossenschaft Bad Grund: "Helfer sind herzlich willkommen - und zwar für alles. Man muss nicht große Voraussetzungen mitbringen. Wir machen einfache Dinge. Am Anfang waren es die Abrissarbeiten, die Gartenarbeiten. Jetzt sind es Fenster abhobeln, abschleifen, kitten, neu verglasen, streichen."
Gemeinschaft schaffen durch gemeinsame Aktivitäten
In der Genossenschaft engagieren sich vor allem Zugezogene. Leerstand gilt als "ansteckend" - steht erst mal ein Haus leer, folgen oft andere. Sie wollen das mit neuen Angeboten verhindern und schaffen Raum für Ausstellungen und gemeinsame Aktivitäten.
"Wichtig ist für mich, dass Bad Grund ein lebendiger Ort bleibt, wo die Menschen sich begegnen können und keine Angst vor Vereinsamung haben müssen, sondern einfach eine nette Nachbarschaft pflegen - ein schönes Miteinander, dass hier ein bisschen etwas los ist", meint Nikolai Simon-Hallensleben von der Bürgergenossenschaft Bad Grund. Bad Grund engagiert sich mit ziemlich vielen Beteiligten, um ein lebenswerter Ort zu sein. Beeindruckend, wieviel Gemeinschaft das schafft.