Buchmessen-Gastland Italien: Zwischen Sehnsüchten und Projektionen
Italien ist Ehrengast der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Wir Deutschen haben eine besondere Beziehung zu diesem Land: Wir gehen gern italienisch essen oder reisen gern nach Italien. Warum ist das eigentlich so? Ein glossaler Erklärungsversuch.
Eine blonde Frau steht an der Tür und bittet Angelo in strengem Ton, ihren Parkplatz freizumachen. Er kocht ihr erstmal einen Cappuccino, plaudert dabei sprudelnd Italienisch. Vom Geschmack des Heißgetränks und dem Charme des Mannes ist die Frau schon leicht versöhnt - obwohl sie kein Wort versteht, versteht sich.
Auf ihre letzte Ermahnung: "Und wann fahren Sie Ihr Auto weg?", folgt der berühmte Satz: "Isch abe gar kein Auto, Signorina." Und der Sprecher aus dem Off ergänzt: "Für die italienischen Momente im Leben." Was auch immer "die italienischen Momente im Leben" sind: Momente voller Genuss? Voller Missverständnisse? Voller unterschwelliger Anmache? Buongiorno Vorurteil!
Italien-Liebe ist unermesslich
Der Schauspieler Bruno Maccallini spielte damals bereits auf Theaterbühnen und vor Kameras. Aber erst sein Auftritt als kaffeetrinkender Angelo in dem 30-Sekunden-Werbespot bescherte ihm Unmengen an Fanpost von deutschen Frauen: Unterwäsche, Bikinis, Nacktbilder, Haarsträhnen. Die plötzliche Aufmerksamkeit habe ihn selbst irritiert, sagt er heute.
Der plakative Flirt mit dem Klischee-Italiener ist inzwischen nicht mehr ganz zeitgemäß. Ein Nostalgie-Kracher bleibt er aber, dieser Clip. 1992 geht diese Werbung an den Start. Für ein Instant-Kaffeepulver, das die Angelos Italiens - wie ich heute weiß - als Affront verstehen würden. Ähnliches gilt für das Gericht, das die 80er-Jahre Werbemutti freudig auftischt: "Miracoli"-Pasta mit Tomatensoße in der unappetitlichen Schnell-Koch-Tüten-Variante. Aber gut. Was ich dank dieser Werbung als Kind schon schnallte: Unsere Italien-Liebe ist unermesslich.
Gefühlsduseliger Blick auf das immerschöne Bella Italia
Ein paar Jahre später, als meine Großmutter bei einem Kartenspiel die Frage beantworten soll, wie groß die Wahrscheinlichkeit sei, dass sie mit einem Italiener durchbrenne, überrascht sie die Familie mit ihrer Antwort: Sie gibt 10 von 10 Punkten. Sogar Omi liebte Italien. Und das, obwohl sie sonst eher mit höflicher Zurückhaltung glänzte.
Woher kommt dieser gefühlsduselige Blick auf das vermeintlich immerschöne Bella Italia? Was ist los, wenn Grundschülerinnen italienische Hooklines aus Werbespots nachsäuseln oder gestandene, ältere Damen vom Neustart mit Italienern träumen?
Von "La dolce vita" bis "Il dolce far niente"
"Mamma Mia" zu fluchen, das brachte mir die Computerspielfigur Super Mario bei. Ein tüchtiger, hüpfender Klempner, mit dem ich mich gegen wildgewordene Schildkröten verbündete. Mario ist natürlich: Italiener. Sich vierfäustig zu verteidigen wussten auch Bud Spencer und Terence Hill - die Draufgänger unter den italienischen Filmfiguren. So ruppig, so knuffig.
Geprägt haben uns sicher auch Bilder aus Fellinis Kult-Streifen "La dolce vita": Anita Ekberg badend in der Fontana di Trevi, die bei aller Dekadenz auch pure Lebenslust verkörpert. Il dolce far niente - das süße Nichtstun - hat die Popkultur längst als hippen, italienischen Lifestyle durchbuchstabiert. Spätestens seit Julia Roberts in "Eat Pray Love" diesem Phänomen auf den Grund gehen will.
Zwischen Genuss, Flirt und Heldentum
Wahr ist: Italien sieht bezaubernd aus, mit seinen Pinien und Häuschen, mit seinem Meer und seinen Altstadt-Gässchen. Historische Bauten neben urigen Eisdielen. Immer weiß das Wetter alles zum Leuchten zu bringen. Die Tische sind mehr als reichlich gedeckt. Was auf den Teller kommt, ist simpel, aber grandios. Denn Oliven, Käse und Wein hat Italien ja praktisch erfunden.
Wer so genießt, kann jawohl nur grundsympathisch sein. Da muss man natürlich auch mithalten können, weiß Jan Weilers Alter Ego in "Maria, ihm schmeckt's nicht!", verfilmt mit Christian Ulmen. Eine Geschichte über einen sympathischen, deutschen Schluffi zu Besuch in einer italienischen Familie, der - so finden die Apulier zumindest - einfach zu wenig isst. Klar sagen all diese Beispiele zwischen Genuss, Flirt und Heldentum weniger über Italien, sondern vielmehr etwas über unsere Sehnsüchte und Projektionen aus. Forse mi piacerebbe essere italiana, vielleicht wäre ich gern Italienerin.