"Biodeutsch" ist Unwort des Jahres 2024
"Biodeutsch" werde vor allem in den Sozialen Medien in rassistischer und nationalistischer Weise gebraucht. Das teilte die Jury der Sprachaktion am Montag in Marburg zur Begründung ihrer Wahl des Unworts des Jahres mit.
Über 3.000 Vorschläge sind diesmal für das Unwort des Jahres am Institut für Germanistische Sprachwissenschaft an der Uni Marburg eingereicht worden, deutlich mehr als beim Jahrgang davor. Darunter sind Wörter wie "Ampelkrach", "D-Day" und "kriegstüchtig". Doch der Ausdruck "biodeutsch" hat es als Unwort des Jahres 2024 geschafft. Der Begriff werde in den Sozialen Medien verstärkt verwendet, um Menschen vor dem Hintergrund vermeintlich biologischer Abstammungskriterien einzuteilen, zu bewerten und zu diskriminieren, heißt es in der Begründung der Jury mit Sitz in Marburg. "Die mit dem Gebrauch von biodeutsch einhergehende Unterteilung in angeblich 'echte' Deutsche und in Deutsche zweiter Klasse ist eine Form von Alltagsrassismus", erklärte die Jury weiter. Auf Platz zwei landete der Begriff "Heizungsverbot". Der im Zusammenhang mit dem Gebäudeenergiegesetz verwendete Ausdruck sei irreführend und verwendet worden, um klimaschützende Maßnahmen zu diskreditieren.
Persönliches Unwort von Saba-Nur Cheema & Meron Mendel: "importierter Antisemitismus"
Die Jury der Aktion "Unwort des Jahres" besteht aus vier Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, einer Journalistin sowie jährlich wechselnden Mitgliedern. Dieses Mal beteiligten sich die Publizistin und Politologin Saba-Nur Cheema sowie der Publizist, Historiker und Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel. Cheema und Mendel bestimmten den Begriff "importierter Antisemitismus" zu ihrem persönlichen Unwort. Der Ausdruck suggeriere, dass Judenhass vor allem mit dem Zuzug von Migrantinnen und Migranten zu einem Problem geworden sei, hieß es in der Begründung. Der Begriff werde vor allem in rechten Kreisen verwendet, um Musliminnen und Muslime sowie Menschen mit Migrationsbiographie auszugrenzen "und vom eigenen Antisemitismus abzulenken", so die Jury.
Seit 1991 gibt es das Unwort des Jahres
In diesem Jahr habe sich gezeigt, dass der Gebrauch menschenunwürdiger, diskriminierender oder euphemistischer Ausdrucksweisen in öffentlichen Diskursen nicht nachlässt, hieß es am Montag in einer Mitteilung der Philipps-Universität Marburg. Deswegen seien zivilgesellschaftliche Anstrengungen notwendig, um gegen menschenunwürdige und antidemokratische Sprechweisen, verbale Diskriminierung und Irreführung einzutreten. Seit 1991 macht die Universität auf unangemessene Formen des öffentlichen Sprachgebrauchs aufmerksam und will dadurch die Sprachreflexion und Sprachsensibilität in der Bevölkerung fördern.
Wörter müssen im Kontext bekannt sein
Über die Homepage der Initiative konnten Bürgerinnen und Bürger bis Ende 2024 Vorschläge einsenden. Zu den Vorschlägen zählten "Sondervermögen", "Technologieoffenheit", "Menschenmaterial", "illegale Migration", "Nutztier" und "kriegstüchtig".
Es konnten Wortvorschläge aus allen Feldern der öffentlichen Kommunikation eingesandt werden, die gegen das Prinzip der Menschenwürde oder der Demokratie verstoßen, die einzelne gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder euphemistisch, verschleiernd oder irreführend sind. Entscheidend war, dass die Wörter oder Formulierungen öffentlich geäußert wurden, eine gewisse Aktualität besitzen und ihr Kontext bekannt ist.
Unwort des Jahres 2023 war "Remigration"
Im vergangenen Jahr war "Remigration" zum Unwort des Jahres gewählt worden, gefolgt von "Sozialklimbim" und "Heizungs-Stasi".